Der Prinzessinnenclub
Prinzessinnenverschwiegenheit anvertraut hatte) wollte gleichfalls »Hans im Glück« vorstellen und so hatten sich die Jungs zusammengetan. Beide wollten unbedingt mit ihrem Referat als Erste drankommen. Um es »hinter sich und wieder mehr Zeit für Fußball zu haben«.
Zuerst erzählte uns Kevin, was in »Hans im Glück« so passiert. Obwohl die meisten von uns das Märchen natürlich kannten. Es geht darin um einen Mann, der als Lohn für sieben Jahre Arbeit einen Klumpen Gold bekommt. Allerdings tauscht er das Gold schon bald gegen ein Pferd ein, das Pferd gegen eine Kuh, die Kuh gegen ein Schwein, das Schwein gegen eine Gans und so weiter, bis er am Ende mit leeren Händen dasteht.
»Aber das macht dem Hans gar nichts aus«, erklärte Kevin. »Im Gegenteil, er ist heilfroh, dass er sich um nix mehr kümmern muss und endlich Zeit hat rumzuchillen.«
Als Emma sich meldete, ahnte ich schon, was jetzt kommen würde, und richtig -
»Was ist denn bitte ›tschillen‹?«
»Boah ey«, machte Kevin und verdrehte die Augen. »Mensch, chillen bedeutet abhängen, kein Generve, also das Gegenteil von Schule, klar?«
»Na, na«, mahnte Frau Hasemann, aber man sah ihr an, dass sie gerne gelacht hätte. Dann war Raphael an der Reihe. Ich stieß Sissi an und linste dann rüber zu Emma, die kerzengerade dasaß und gebannt nach vorn blickte. Anscheinend war sie wild entschlossen, kein Wort von dem zu verpassen, was der »süße« Raphael uns über »Hans im Glück« zu erzählen hatte. Aber ich musste zugeben, dass Raphael seine Sache gut machte. Er berichtete, dass »Hans im Glück« zu der Märchensammlung der Brüder Grimm gehört (wusste ich natürlich schon), wann und wo die Geschichte zum ersten Mal veröffentlicht wurde und so weiter.
»Vielleicht verratet ihr uns auch noch, warum ihr euch gerade für ›Hans im Glück‹ entschieden habt?«, forderte Frau Hasemann Kevin und Raphael zum Schluss auf.
Die beiden sahen sich ratlos an. Schließlich sagte Kevin: »Weil da keine Prinzessin drin vorkommt!«
»Und’n Schloss auch nicht«, ergänzte Raphael. Anscheinend hatte Emmas Angebeteter nicht allzu viel Sinn für Romantik …
»Außerdem find ich es cool, dass der Hans immer gut drauf ist«, setzte Kevin hinzu. »Der lässt sich seine Laune nicht verderben, egal was passiert.«
»Findest du denn, dass Hans sich klug verhält, Kevin?«, wollte Frau Hasemann wissen. »Ich meine, macht er eher gute oder eher schlechte Tauschgeschäfte?«
Kevin überlegte angestrengt. Ich seufzte. Himmel, die Frage war doch nun wirklich keine harte Nuss! Schließlich verschlechtert sich Hans mit jedem Tausch, bis er am Schluss nur noch diesen doofen Schleifstein hat. Und den lässt er dann auch noch in einen Brunnen plumpsen!
»Kevin würde wahrscheinlich seinen eigenen Kopf gegen einen Fußball eintauschen!«, zischte ich Sissi zu. »Aber egal, den Unterschied würde sowieso keiner merken!«
Nanu, warum sah Sissi mich denn plötzlich so strafend an? - Was hatte ich denn verbrochen? - Jetzt schnappte sich Sissi mein Heft und malte eine große 4 mit zehn fetten Ausrufezeichen hinein. Ach so, klar, ich hatte gegen Regel 4 des Prinzessinnenclubs verstoßen. Wir durften ja nicht lästern! Nicht mal über das blondierte Nashorn! - Ach, zu schade...!
»Na, wie hat euch das Referat über ›Hans im Glück‹ gefallen?«, fragte Emma Sissi und mich in der Pause. »Also, ich finde, Raphael hat das echt gut hingekriegt, oder?« Emma errötete leicht.
»Ich fand es auch ganz okay!«, sagte ich gnädig. »Und unser Kevin ist doch zumindest immer … äh... unterhaltsam! Oder was meinst du, Sissi?«
Sissi hockte am Boden und nestelte mal wieder an ihren Schnürsenkeln. Zu ihren obligatorischen Stiefeletten trug sie einen langen blauen Rock mit Spitzenrand. Ihr Haar war ein Gesamtkunstwerk aus ineinandergeschlungenen Zöpfen und feinen Knoten. Unglaublich, wie sie das immer hinbekam...!
»Ihr müsst bedenken«, sagte Emma, »dass es das erste Referat in der neuen Klasse war. Ich meine, wir kennen uns ja alle noch kaum.«
Emma hatte recht. Wir standen noch total am Anfang. Zwar hatte ich mir inzwischen von fast allen in der Klasse den Namen gemerkt, und ich wusste, von welcher Schule jeder kam, aber das war’s dann auch schon.
»Ich bin jedenfalls froh, dass wir drei uns gefunden haben«, gestand Emma. »Sonst würde ich mich ganz schön verloren fühlen!«
Sissi hatte den Kampf mit ihren Schnürsenkeln endlich gewonnen und tauchte
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