Der Prinzessinnenmörder
Tegernsee und Gmund hatte gegen vierzehn Uhr stattgefunden. Zwei Kollegen hatten sich zu dem Kontrollpunkt in Moosrain begeben, das gesuchte Fahrzeug auf dieser Fahrt aber nicht gesichtet. Von Rottach nach Gmund brauchte man nur etwa zehn Minuten. Es sprach also viel dafür, dass der Wagen inzwischen abgestellt worden war.
Der junge Kollege Schartauer war beeindruckt, nachdem ihm Kreuthner all diese Überlegungen mitgeteilt hatte. An sich müsse man solche Dinge dem Kollegen, mit dem man Streife fahre, nicht erklären, denn sie verstünden sich von selbst, fügte Kreuthner hinzu. Aber Schartauer befinde sich ja in Ausbildung. Da sei der eine oder andere Satz mehr durchaus von Nutzen. Der junge Kollege Schartauer stimmte dem vorbehaltlos zu. Das bringe ihn jetzt unheimlich weiter, dass er von einem erfahrenen Kollegen gesagt bekomme, warum sie eine bestimmte Richtung einschlügen, und dass es nicht einfach heiße, jetzt fahr amal da links – und dann keine Erklärung, wie das bei anderen Kollegen oft der Fall sei.
Da man nun mit einiger Wahrscheinlichkeit wisse, wo sich das gesuchte Fahrzeug befinde, wäre es da nicht sinnvoll, fühlte sich Schartauer ermutigt vorzuschlagen, Kollegen zur Unterstützung der Suche anzufordern? Ein Blick auf Kreuthners Gesicht machte Schartauer wieder einmal klar, dass er noch am Beginn seiner Ausbildung stand. Ob Schartauer nicht wisse, wie der Auftrag für den Nachmittag laute, fragte Kreuthner mit kaum geöffneten Zähnen. Nun ja – Hoteltiefgaragen nach einem weißen Ford Transit absuchen. Das hatte Schartauer nicht vergessen. Nur seien sie jetzt dem gesuchten Wagen anderweitig auf der Spur, was ja in gewisser Weise den Auftrag abändere. Woher denn Schartauer von einer Abänderung des Auftrags wisse, fragte Kreuthner nach. Ihm, Kreuthner, sei da nichts mitgeteilt worden. Aber vielleicht habe Schartauer ja bessere Informationen. Nein, nein, natürlich nicht. Wenn, dann, so habe er gedacht, dann hätten sie selbst den Auftrag gewissermaßen abgeändert. Im Übrigen sei er ein bisschen verwirrt. Denn sie hätten die Überprüfung der Hoteltiefgaragen doch eingestellt und suchten jetzt in den Straßen von Tegernsee und Gmund nach dem Fahrzeug. Das habe Schartauer mal richtig erkannt, sagte Kreuthner. Und zwar täten sie das ohne Auftrag. Und wenn man ohne Auftrag unterwegs sei, dann bitte man normalerweise nicht noch andere Kollegen dazu, sich an der auftragswidrigen Maßnahme zu beteiligen. Das leuchtete Schartauer ein. Wieder etwas dazugelernt. Allerdings stelle sich ihm jetzt doch die Frage, ob sie hier nicht etwas täten, was sie eigentlich nicht tun sollten. Kreuthner sagte, Schartauer solle die Klappe und nach dem weißen Ford Transit Ausschau halten.
In Tegernsee fuhren sie die Hauptstraße ab, die Rosenstraße und die Bahnhofstraße, schließlich die Neureuthstraße bis hinauf zum Lieberhof und zu dem Parkplatz, der – auch im Winter – als Ausgangspunkt für Fußwanderungen auf die Neureuth diente. Auf dem Rückweg inspizierten sie etliche Seitenstraßen und vergaßen auch den Parkplatz bei der Schießstätte nicht. Die Suche blieb ohne Ergebnis. In Gmund gab es weniger Straßen. Wenn man in den Ort von Süden hineinkam, verbreitete rechter Hand die Ruine eines ehemaligen Gasthauses Zonenrandstimmung in dem sonst properen Ort. Gleich nach der Ruine ging es rechts hinauf zu Rathaus, Kirche und Schule oder auch zum Bergfriedhof, wenn man den Weg geradeaus weiterfuhr. Kreuthner ließ rechts abbiegen und kurz darauf links. Die kleine Seitenstraße führte zur katholischen Kirche. Rechts der Straße stand das Rathaus der Gemeinde, ein wuchtiger Bau aus dem 17 . Jahrhundert, der in den sechziger Jahren halbwegs stilgerecht renoviert worden war. Nur der Eingang sah aus wie der eines österreichischen Skihotels. Gegenüber dem Rathaus ein Parkplatz. Auf dem Parkplatz ein weißer Ford Transit.
»Na also«, sagte Kreuthner zu dem jungen Kollegen Schartauer.
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35 . Kapitel
W allner war beunruhigt. Wenn er die Geräusche am anderen Ende der Leitung richtig deutete, dann war das Gespräch weggedrückt worden. Warum hatte Conny Polcke ihr Handy ausgeschaltet. Wollte sie nicht gestört werden? Oder hatte jemand anderer das Telefon ausgeschaltet? War Rathberg bereits in der Lage, Conny Polckes Handy auszuschalten? Er musste Connys Mutter anrufen. Wallner stellte seinen Wagen auf dem Parkplatz vor dem Polizeigebäude in Miesbach ab und wählte Melanie Polckes Nummer. Er
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