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Der Prinzessinnenmörder

Der Prinzessinnenmörder

Titel: Der Prinzessinnenmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Föhr
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sich mit den Sturmgeräuschen. Der Mann in der Tür war um die dreißig, groß, unrasiert. Er hatte halblange Haare, die ihm der Sturm durchs Gesicht zauste. Rasiert und im Anzug gab er wohl einen gediegenen Jungkarrieristen ab. Er sah Peter mit glasigen Augen an. Das T-Shirt des Mannes flatterte im Schneesturm. Er verengte die Augen, um seinen trunkenen Blick zu schärfen. Gleichzeitig nickte der Kopf nach vorn. Bevor das Kinn auf die Brust fiel, fing der Mann den Kopf ab und riss ihn wieder hoch. Noch einmal fokussierte er seinen Blick. Peter war, als könne der Blick des Mannes nicht finden, was er suchte: Peters Augen. Stattdessen blieb der Blick seitlich von Peters Jochbein hängen. Der Mann lachte plötzlich. Als habe er etwas Lustiges bemerkt.
    »Das glaubst net«, rief er in die Hütte. »A Pirat!« Dann lachte er in einem Anfall kindlicher Erheiterung und sog mehrmals ruckartig mit einem sägenden Geräusch Luft ein. Das Lachen erstarb so plötzlich, wie es gekommen war. Der Blick des Mannes kam nach einigen wackeligen Anläufen wieder auf Peters Jochbein zu ruhen. »Komm rein!«
    Peter nickte und betrat mit polternden Skistiefeln die Hütte. Im Inneren der Hütte war es warm. Ein Holzofen verstrahlte pralle Hitze. Es mochten über dreißig Grad sein. Der Schnee auf Peters Haaren begann zu schmelzen. Peter sah sich um. Es war ein großer Raum mit Küche und Essecke auf der einen Seite. Auf der anderen eine alte Couchgarnitur mit zwei Ohrensesseln. Die Anmutung war nicht bäuerlich, vielmehr so, wie Großstädter sich auf dem Land einrichteten. Auf dem Boden Kleider, Zeitschriften, ein umgestürzter Stuhl. Auf dem Tisch der Essecke standen benutzte Gläser und zumeist leere Flaschen. Wein, Wodka, Whisky, Weißbier. Auch eine Bowlenschale mit einer Flüssigkeit, die in der Farbgebung an Jagertee erinnerte. Ein Spiegel mit Spuren von Kokain lag auf dem Fensterbrett. Auf der Eckbank ein offenes Plastikröhrchen mit kleinen Tabletten. Die Tabletten waren über die Bank verstreut. Einige lagen unter der Bank. Am Tisch saß eine bleiche, schwarzhaarige junge Frau mit Zigarette. Die junge Frau sah Peter aus dick geschminkten Augen an. Sehr langsam begann sie zu kichern, hielt kurz inne, nahm einen hektischen Zug aus ihrer Zigarette und kicherte weiter. Als sie sich wieder gefasst hatte, sagte sie im kehligen Tonfall der Gegend: »Des isch ja tatsächlich a Pirat!« Dann setzte sie ihr Gekicher fort. Es war nicht klar, ob es noch Peter galt oder Dingen, die sich im Kopf der jungen Frau abspielten.
    Peter versuchte zu reden. Aber seine Lippen waren taub von der Kälte und gelähmt. Sie fühlten sich an wie nach einer Anästhesie beim Zahnarzt. Peter fragte, so gut es ging, ob sie ein Funkgerät auf der Hütte hätten. Er musste die Frage zweimal wiederholen, bis sie verstanden hatten. Der Mann im T-Shirt dachte lange nach. Dann sagte er, man habe in der Tat ein Funkgerät auf der Hütte. Aber das müsse er suchen. Der Mann wiederholte das Wort Funkgerät und schüttelte lachend den Kopf. Er deutete schwankend auf die Sitzecke, sagte, Peter solle sich zu dem hübschen Mädchen setzen. Und er solle etwas trinken. In der Zwischenzeit werde er gehen, das Funkgerät zu suchen. Peter beschwor den Mann, es sei eilig, seine Tochter sei abgestürzt und liege im Sterben. Der Mann schob Peter ein Glas von dem trüben, lauwarmen Jagertee zu. Dann wollte er wissen, was Peter gerade gesagt habe. Peter wiederholte das Gesagte. Doch der Mann war schon auf dem Weg zu einer Tür, die in den hinteren Teil der Hütte führte, stolperte über den umgestürzten Stuhl und schlug krachend auf den Holzboden. Dort blieb er regungslos liegen. Der Lärm erweckte einen der Ohrensessel vor der Couch zum Leben. Eine weitere junge Frau mit langen blonden Haaren und schwarz geschminkten Augen lugte über die Rückenlehne des Sessels. Die schwarzen Augen starrten Peter an.
    »Hallo, Pirat«, sagte die junge Frau müde.
    Der Mann auf dem Boden bewegte sich wieder.
    »Alles okay?«, fragte die Frau im Sessel.
    »Hab mir den verfickten Arm gebrochen. Sonst geht’s.« Der Mann verfiel in sägendes Lachen und stand mühsam auf.
    »Wo ist Bernie? Der weiß doch, wie man das verfickte Funkgerät bedient.«
    In diesem Augenblick hörte man, wie sich hinter einer Tür jemand in eine Toilette erbrach.
    »Ich glaub, der speibt«, sagte die blonde Frau.
    Peter trank hastig das Glas aus. Obwohl nur lauwarm, wärmte der Jagertee. Es musste sehr viel Alkohol drin

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