Der Prinzessinnenmörder
sah, dass seine Hand beim Eingeben der Nummer zitterte.
»Hallo! Hier Clemens Wallner.«
»Hallo Clemens. Hab schon gedacht, du hast mich vergessen.«
Wallner schwitzte. Der Wagen stand im Schatten. Die Heizung war aus. Die Luft im Wagen kühlte langsam in Richtung Gefrierpunkt ab. Aber Wallner schwitzte. Melanie ließ eine Pause nach ihrem letzten Satz. Für Wallners Entschuldigung, dass er nicht angerufen hatte. Aber Wallner hatte im Augenblick andere Sorgen. Und Melanie auch. Nur – die wusste das noch nicht.
»Tut mir leid. Wo ist Conny gerade?«
»Mit irgendwelchen Fernsehleuten unterwegs. Ich glaube in Warngau. Sie drehen einen Film über die beiden Morde.«
»Was hat Conny damit zu tun?«
»Der Regisseur wollte ein Interview mit ihr machen. Weil sie Pias beste Freundin war.«
Wallner blieb für einen Moment der Atem stehen. Seine schlimmsten Befürchtungen waren wahr geworden.
»Hast du die Leute kennengelernt?«
»Nein. Aber das scheint alles in Ordnung zu sein. Ich musste sogar eine Erklärung unterschreiben. Weil Conny noch keine achtzehn ist. Ruf sie doch einfach an. Ich …«
»Ich hab ihre Handynummer. Das Handy …«, Wallner überlegte, wie viel er Melanie zumuten konnte. »Das Handy war aus. Weißt du, wo das Interview stattfinden sollte?«
»Keine Ahnung. Was ist denn los? Du machst mir Angst.«
»Ich will nur wissen, wo sie ist. Nur zu meiner eigenen Beruhigung. Es gibt Hinweise, dass der Mörder sich wieder im Landkreis aufhält.«
»Was?!«
Melanie Polckes Stimme klang mit einem Mal brüchig. Wallner wusste, dass er ihr einen Todesschrecken eingejagt hatte. Aber da musste sie durch.
»Hör zu: Es gibt überhaupt keine konkreten Anhaltspunkte, dass er irgendwas mit diesen Fernsehleuten zu tun hat. Es würde mich nur beruhigen, wenn ich wüsste, wo Conny ist. Wahrscheinlich war sie gerade im Interview und hatte deshalb das Handy aus, okay?«
Am anderen Ende herrschte Stille. Dann hörte Wallner ein leises Schluchzen.
»Melanie! Hör zu: Im ganzen Landkreis sind über hundert Polizisten unterwegs. Wir werden den Kerl kriegen. Falls er überhaupt hier ist.«
»Sag mir, was mit meiner Tochter ist! Warum redest du so mit mir?«
»Ich mache meinen Job.« Wieder Schweigen in der Leitung. Wallner durfte Melanie jetzt nicht ihren eigenen Gedanken überlassen. »Conny ist die Tochter von Bernhard Dichl?« Weiterhin herrschte Stille am Ende der Leitung. Aber diese Stille klang anders.
»Woher weißt du das?«
»Er hat’s mir gesagt. Sie wurde am Faschingsdienstag 1990 gezeugt?«
»Ja. Wozu willst du das wissen?«
»Weißt du, was auf der Hütte passiert ist? In der Nacht von Faschingsdienstag auf Aschermittwoch?«
»Wir haben getrunken und …«, sie zögerte.
»Irgendwelches Zeug eingeworfen. Ich weiß. War da noch jemand?«
»Irgendwer war wohl in der Nacht kurz da. Aber ich weiß das mehr, weil die anderen davon erzählt haben. Was, um Himmels willen, hat das alles mit Conny zu tun?«
»Wenn wir das wüssten, wären wir weiter. Ich habe eine Bitte an dich: Versuche bitte, Conny auf dem Handy zu erreichen. Wahrscheinlich schaltet sie es nach dem Interview wieder ein. Wenn du sie erreicht hast, sag Bescheid.«
»Okay. Mach ich.«
»Ich wollte dich nicht beunruhigen. Tut mir leid. Es ist wahrscheinlich völlig harmlos.«
Es war alles andere als harmlos. Und Melanie würde ihre Tochter mit Sicherheit nicht erreichen. Aber sie hatte jetzt eine Aufgabe und war beschäftigt.
Zurück in seinem Büro beorderte Wallner Tina und Mike, der aus Tirol zurück war, zu sich, um den neuesten Stand der Dinge zu erfahren. Man hatte Ralf Wickede in Dortmund gefragt, ob es sich bei dem Mann, den er nachts am Hafen gesehen hatte, um Peter Rathberg handle, und habe ihm Fotos von Rathberg gezeigt. Für diese Information habe Wickede gefordert, das Handy wieder freizuschalten, das er Wallner abgenommen hatte. Natürlich habe man nichts dergleichen getan. Aber die Aussage von Wickede sei ohnehin von geringer Bedeutung, weil sie nur bestätige, was man bereits wisse. Des Weiteren habe man ermittelt, dass Rathberg tatsächlich einen zweiten, separaten Kartenvertrag für seinen Computer abgeschlossen habe. Sobald er ihn in Betrieb nehme, könne man ihn orten. Man habe sich eine Eilanordnung von der Staatsanwältin besorgt. Im Augenblick habe Rathberg aber weder Handy noch Computer in Betrieb. Allen war im Übrigen klar, dass eine Handypeilung hier im Landkreis wegen der groß dimensionierten
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