Der Prinzessinnenmörder
liegen. Währenddessen hatte die Schwarzhaarige das Gerät wieder in der Hand. Sie starrte auf den blutenden T-Shirt-Mann. Peter ging zu ihr. Aber sie wollte ihm das Funkgerät immer noch nicht geben. Als Peter es ihr zu entwinden versuchte, ließ sie das Gerät fallen. Es machte ein plumpsendes Geräusch, und die krächzenden Töne daraus erstarben. Das Funkgerät versank im Jagertee.
Peter erstarrte für einen Augenblick und sah mit schreckgeweiteten Augen in die trübe Flüssigkeit. Dann griff er in die Schale, holte das Gerät heraus und schüttelte es. Jagertee tropfte aus dem Plastikgehäuse. Aber das Gerät war tot. Keinen Ton gab es mehr von sich. Und es begann, vor Peters Augen zu verschwimmen.
Es war kalt geworden in der Hütte. Niemand hatte Holz nachgelegt. Peter öffnete langsam und benommen die Augen. Er lag halb unter einer Wolldecke auf dem Fußboden. Rechts neben ihm schnarchte der Sweater-Mann, der Bernie hieß. Links neben Peter lag die blonde Frau mit dem Pullover. Ihr Mund stand offen. Ihre Hand lag auf Peters Hals. Der T-Shirt-Mann lag immer noch mit gebrochener Nase auf der Kommode. Peter versuchte, sich zu erinnern, wo er war. Das war nicht die Pension, in der er mit Lisa abgestiegen war. Im Bruchteil einer Sekunde schoss es ihm wie glühender Stahl ins Herz: Lisa! Er sprang auf und sah auf die Wanduhr. Es war kurz vor vier. Draußen herrschte noch schwarze Dunkelheit. Aber der Sturm hatte nachgelassen. Das Funkgerät lag auf dem Boden unter dem Esstisch. Auf dem Tisch immer noch das Chaos aus Gläsern und Flaschen, die Tabletten auf der Eckbank, der Kokainspiegel auf dem Fensterbrett. Peter erinnerte sich wieder an das, was vorgefallen war. Er sah das leere Glas, aus dem er getrunken hatte. Das war nicht nur Jagertee. Sie hatten da irgendwas von den Tabletten reingetan. Die Mischung hatte Peter betäubt.
Peter durchsuchte die Hütte. Irgendwo mussten sie ihre Skier aufbewahren. Zuerst fand er die Skianzüge. Einer davon passte Peter. Neben der Hütte entdeckte er schließlich einen kleinen Verschlag. Darin waren Skier und Stöcke und Werkzeug. Peter nahm ein paar Herrenski und stellte die Bindung auf seine Schuhe ein. Dann ging er noch einmal in die Hütte zurück. In einer der aufgerissenen Kommodenschubladen waren Wanderkarten. Sie waren genauer als die Karte, die er selbst dabeihatte. Peter stellte fest, dass es möglich war, von der Hütte aus die Felswand, unterhalb derer Lisa lag, zu umgehen und auf direktem Weg zur Absturzstelle zu gelangen. Er versuchte, sich den Weg so genau wie möglich einzuprägen. Denn er musste ihn im Dunkeln finden. Selbst wenn er Lisa finden sollte: Die Chancen standen eins zu hundert, dass sie noch lebte. Mehr als genug, um es zu versuchen.
Beim Verlassen der Hütte bemerkte Peter neben dem Eingang ein kleines Regal. Darin lag ein Büchlein. Es war das Hüttenbuch. Wer immer auf der Hütte war, trug sich hier mit Namen und Adresse ein. Auf der letzten beschriebenen Seite fanden sich vier Namen mit Adresse. Peter blickte noch einmal zurück auf die vier Menschen, deretwegen Lisa immer noch im Eis lag – und vermutlich erfroren war. Er steckte das Hüttenbuch ein und ging in die Nacht.
Um Viertel vor fünf stand Peter am Fuß der Felswand, die Lisa hinuntergestürzt war. Lisa war leicht zu finden. Der Sturm hatte verhindert, dass ihr Körper vollständig mit Schnee bedeckt wurde. Peter befreite sie vom Schnee. Das goldene Kleid, das sie über dem Skianzug trug, wurde sichtbar. Lisas Lippen waren bleich. Aus ihrem Gesicht war jede Farbe gewichen, und es war so kalt, dass der Schnee darauf nicht mehr schmolz. Lisa atmete noch. Peter nahm sie vorsichtig auf seine Schultern und fuhr durch den Tiefschnee Richtung Tal. Gegen sechs Uhr trafen sie auf einen Schneepflugfahrer. Der Mann brachte Peter und Lisa ins nächste Dorf. Aber da atmete Lisa schon nicht mehr.
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37 . Kapitel
H allo, Herr Wallner.« Auf dem Bildschirm des Computers erschien eine Hand, die das Schild mit der Aufforderung an Wallner entfernte. Jetzt wurde sichtbar, woran das Schild gelehnt hatte. Es war eine junge Frau in einem goldenen Brokatkleid. Ihr Gesicht war mit einem Tuch verhüllt. Kurz nachdem die Hand das Schild entfernt hatte, kam Rathberg ins Bild. Er setzte sich auf einen Stuhl, der hinter der jungen Frau stand. Worauf die junge Frau lag, war nicht zu erkennen. Rathberg hatte ein Handy in einer Gürtelhalterung. Vom Handy führte ein Kabel zu seinem rechten
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