Der Prinzessinnenmörder
aus Fischbachau, der das Kruzifix für eine Frau aus Bayrischzell angefertigt hatte, deren Tante bei einem nächtlichen Verkehrsunfall ums Leben gekommen war. Nach dem Erwerb des Marterls hatte sich jene Frau aber mit ihrer Cousine, der Tochter der Toten, wegen der Verteilung des Erbes entzweit und keine Lust mehr gehabt, der Tante ein ewiges Gedenken am Straßenrand zu errichten. Da traf es sich, dass der Sohn des Nachbarn der Marterlkäuferin kurz darauf ebenfalls Opfer des mörderischen Landverkehrs wurde. Das Kreuz wechselte für den Anschaffungspreis den Besitzer und wurde in einer schwer einsehbaren Kurve der B 318 aufgestellt, wo es bis vor ein paar Tagen auskünftlich des neuen Besitzers auch stand. Wer es von dort entwendet hatte, konnte noch nicht ermittelt werden. Es befänden sich im weiteren Umkreis des ursprünglichen Marterlstandorts keine Häuser. Und dass ein Autofahrer den Diebstahl beobachtet habe, sei unwahrscheinlich, da man es im vorliegenden Fall – wie die bisherigen Ermittlungen ja zeigten – mit einem umsichtigen Täter zu tun habe. Nichtsdestoweniger habe man veranlasst, nach etwaigen Zeugen zu suchen.
Eine andere Gruppe von Beamten war der Frage nachgegangen, wann und wo das Opfer zuletzt gesehen worden war. Pia Eltwanger hatte nach bisherigen Erkenntnissen am Freitagnachmittag das Haus ihrer Eltern zu Fuß verlassen und anschließend in Rottach-Egern eingekauft. Unter anderem hatte sie zwei Bienenwachskerzen in einer Drogerie erstanden. Die Verkäuferin kannte Pia, weil sie zusammen auf die Grundschule gegangen waren. Die Zeugin habe Pia Eltwanger gefragt, wofür sie denn jetzt, da Weihnachten lange vorbei sei, echte Bienenwachskerzen benötige. Die Zeugin komme aus bescheidenen Verhältnissen und könne sich nicht vorstellen, dass man Kerzen überhaupt außerhalb der Weihnachtszeit verwende, schon gar nicht teure Bienenwachskerzen. Wie dem auch sei, jedenfalls habe das spätere Mordopfer geantwortet, die Kerzen »wegen der Atmosphäre« zu benötigen. Was Pia Eltwanger damit genau gemeint habe, konnte die Zeugin nicht sagen. Denn sie habe angesichts wartender Kunden das Gespräch nicht weiter vertieft.
Danach habe Pia Eltwanger in einer Konditorei Plätzchen gekauft. Fünf sogenannte »Brownies« – sehr große Plätzchen amerikanischer Machart, wie vermutlich allgemein bekannt sei. Dem Konditor, der Pia seit Kindesbeinen kenne, sei aufgefallen, dass die Vorliebe für Brownies sich erst in den letzten Monaten entwickelt habe. Davor habe Pia Eltwanger Obstkuchen und kandierte Früchte bevorzugt.
Zwei Kollegen hatten einen Zeugen gefunden, der Pia Eltwanger in einen Bus hatte steigen sehen. Das war gegen 16 Uhr. Die Haltestelle war in der Nähe der Konditorei in Rottach-Egern. Die Kollegen hatten außerdem den Busfahrer ausfindig gemacht. Der Mann konnte sich an ein Mädchen erinnern, das in Rottach in der Südlichen Hauptstraße in seinen Bus gestiegen war und einen Rucksack dabeihatte. Die junge Frau war in Hausham ausgestiegen, hatte aber eine Fahrkarte bis zum Spitzingsee gelöst. Während der von Rottach/Tegernsee kommende Bus in Hausham nach Norden Richtung Miesbach fährt, kommt der Bus zum Spitzingsee aus Miesbach und fährt über Hausham und Schliersee in südlicher Richtung weiter. Auch der Fahrer des Anschlussbusses zum Spitzingsee war vernommen worden. Er konnte sich aber nicht an Pia Eltwanger erinnern. Es seien an dem Tag etliche junge Leute im Bus gewesen. Es war Freitagnachmittag, und viele verbrachten das Wochenende am Spitzingsee. Es konnte also nur vermutet werden, dass Pia Eltwanger gegen 17 Uhr 45 am Spitzingsee angekommen war.
»Aber was hat sie da gemacht?«, fragte Mike. »Sie hat keine Skier dabei und anscheinend auch sonst kein Wintersportgerät. Was hat’s dabei? Fünf Brownies und a paar Kerzen. Was mach ich mit fünf Brownies und a paar Kerzen a ganzes Wochenende lang am Spitzingsee?«
»Jemanden besuchen«, sagte Tina. »Ihren geheimnisvollen Freund. Oder sonst wen.«
Wallner ging im Geiste die Gespräche in der Schule durch. »Aus der Schule war’s jedenfalls niemand. Oder gibt’s einen Grund, der Polizei zu verschweigen, dass man das Wochenende mit dem Mädchen verbracht hat?«
»Wennst der Mörder bist«, warf Lutz ein.
»Wer wohnt eigentlich am Spitzingsee?«, wollte Wallner wissen.
»Fast niemand«, sagte Mike. Das meiste sei Hotel und Gastronomie. Und etliche Ferienhütten.
»Gut. Dann checken wir alle Hotelgäste und alle
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