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Der Prinzessinnenmörder

Der Prinzessinnenmörder

Titel: Der Prinzessinnenmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Föhr
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Keller stand eine große Tiefkühltruhe, auf der Truhe ein Kassettenrekorder. Aus dessen Lautsprechern sang Chris de Burgh »Don’t pay the ferryman«. Neben der Tiefkühltruhe, vor einem großen Arbeitstisch und mit dem Rücken zu Wallner und Tina stand Frau Dichl in Jeans und Schürze und arbeitete an etwas Fleischfarbenem. An der Kühltruhe lehnte ein blauer Plastiksack, der mit Federn gefüllt war.
    »Frau Dichl …?«
    Frau Dichl drehte sich um. Sie sah Wallner fragend an.
    »Wallner, Kripo Miesbach. Das ist meine Kollegin Frau Klein.«
    »Ich bin grad am Einfrieren«, sagte Frau Dichl und wischte sich die Hände an der Schürze ab. Wallner erkannte jetzt, dass auf dem Arbeitstisch etwa ein Dutzend tote, gerupfte Enten lagen. Eine Ente war gerade in Arbeit. Frau Dichl wickelte sie in Plastikfolie ein. Fünf weitere Enten schienen in weiße Servietten aus teurem Leinen eingewickelt zu sein.
    Wallner war froh, das Gespräch nicht mit der toten Tochter beginnen zu müssen. »Verstehe«, sagte Wallner. »Sie wickeln die Enten in Servietten ein?«
    »Die sind von meiner Aussteuer.« Frau Dichl blickte die in die Servietten eingewickelten Enten liebevoll an.
    »Is das üblich? Ich mein, ich versteh nichts vom Einfrieren.«
    »Weiß auch net. Ich mag’s net, wenn sie so nackert daliegen. In der Kälte. Wer möcht des schon?«
    Wallner und Tina konnten ihren Blick nicht von den fünf in edles Leinen gehüllten Bündeln losreißen, die dazu bestimmt waren, im ewigen Eis der Kühltruhe zu verschwinden. Aus dem Radio riet Chris de Burgh dazu, nicht einmal den Preis zu vereinbaren, bevor der Fährmann einen auf die andere Seite gebracht habe.
    »Wir kommen wegen Ihrer Tochter«, sagte Tina.
    »Die is net da«, sagte Frau Dichl. »Die hat am Vormittag Schule.«
    Wallner ging ein paar Schritte auf Frau Dichl zu. »Frau Dichl …«, er sah die gerupften Enten auf dem Arbeitstisch und konnte nicht verhindern, an Lutz und den leblosen Mädchenkörper gestern Abend in seinem Schuppen zu denken. »Frau Dichl – Ihre Tochter ist tot.«
    Frau Dichl zögerte kurz, dann wandte sie sich wieder ihren Enten zu. »Tut mir leid, ich hab zu tun.«
    »Wir würden Ihnen gerne einige Fragen stellen. Ich weiß, es ist schwer für Sie …«
    »Ich hab zu tun. Reden S’ mit meinem Mann. Ich muss die Enten einfrieren. Des is jed’s Jahr der gleiche Stress.«
    Frau Dichl wickelte die Ente in sinnlos dicke Schichten von Klarsichtfolie. Als die Rolle zu Ende war, griff sie hektisch nach einer Serviette. Wallner berührte sie vorsichtig am Oberarm.
    »Frau Dichl …« Im gleichen Moment schoss Frau Dichl herum, funkelte Wallner an und schrie: »Ich hab zu tun, Herrgott! Sehen S’ net, was hier los is! Ich muss des doch alles einfrieren!« Mit den letzten Worten nahm sie eine noch unverpackte Ente und warf sie in Wallners Richtung. Die Ente prallte an der Kellerwand ab und platschte auf den Boden – vor zwei Füße in Holzpantinen. Herr Dichl hatte den Kellerraum betreten. Er ging zu seiner Frau und nahm sie in den Arm. Sie redete noch eine Weile Unverständliches in seine Brust. Dann verstummte sie, hob die Ente vom Boden auf und reinigte sie vom Kellerbodendreck, der an ihr klebte. Sie riss eine neue Packung Klarsichtfolie auf, wischte mit dem Handrücken den Rotz von der Nase und machte sich wieder ans Werk.
     
    Die Stube war mit einem Kachelofen ausgestattet, der behagliche Wärme abstrahlte. Zugluft war nicht zu befürchten. Schon weil vor den eigentlichen Fenstern altmodische Winterfenster angebracht waren, die sich nicht öffnen ließen. Die Einrichtung der Stube war bäuerlich und bodenständig. Bis auf einige buddhistische Wandbehänge und Gebetsfahnen, die belegten, dass zumindest einer der Bewohner ein gutes Stück in die Welt gekommen war. Herr Dichl saß mit Wallner und Tina am Tisch. Der Schmerz war ihm ins Gesicht gegraben.
    »Der Täter muss Ihre Tochter lange beobachtet haben. Wahrscheinlich hat sie ihn gekannt und ihm vertraut. Hat sie in letzter Zeit von irgendjemandem erzählt, den Sie nicht kannten?«
    Herr Dichl dachte nach und bewegte dann langsam den Kopf hin und her.
    »Hat sich Ihre Tochter anders benommen als sonst?«, wollte Tina wissen.
    »Wüsst ich jetzt net … mei, sie war sehr gut gelaunt in letzter Zeit. Aufgekratzt, wie man so sagt.«
    »Aber Sie wissen nicht, warum?«
    Herr Dichl schüttelte den Kopf. Unversehens verzog sich seine Miene. Er fing an zu weinen und schlug die Hände vors Gesicht.
    Als

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