Der Prinzessinnenmörder
Brokatkleids von Pia Eltwanger konnte geklärt werden. Das Kleid war am 14 . November des vergangenen Jahres in einem Brautmodengeschäft in Düsseldorf gekauft worden. Die Verkäuferin konnte sich an den Verkauf erinnern, weil an jenem Montag nicht viel Betrieb gewesen war und der Kunde bar gezahlt hatte. Bei einem Preis von über fünfhundert Euro war das ungewöhnlich. Eine brauchbare Beschreibung des Käufers konnte die Frau, nachdem zwei Monate verstrichen waren, nicht abgeben. Er sei männlich gewesen, mittelgroß und zwischen fünfunddreißig und fünfzig Jahre alt.
Die Ermittlungen in Sachen Hüttenbesitzer am Spitzingsee beanspruchten mehr Zeit als erwartet, da einige nicht erreichbar waren. Immerhin konnte die Belegung von etwa fünfundachtzig Prozent der Hütten und Ferienhäuser geklärt werden. Man sei bereits dabei, diejenigen zu überprüfen, die ins Täterraster passten. Das werde aber möglicherweise Wochen in Anspruch nehmen.
Ein großer Online-Buchhändler hatte seinen Justitiar eingeschaltet, der klären sollte, ob die Polizei berechtigt sei, aufbereitete Daten, wie etwa die aller Käufer von Literatur über die Rosenkreuzer, zu verlangen. Man habe die Staatsanwältin informiert. Die habe mit dem Firmenjuristen telefoniert. Morgen würden die Daten übermittelt.
Interessant sei die Liste der Telefongespräche, die in letzter Zeit vom Handy des ersten Mordopfers Pia Eltwanger aus geführt worden waren. Oder genauer gesagt, sei die Liste seltsam uninteressant, sagte der Kollege, der mit ihrer Beschaffung betraut worden war. Pia Eltwanger habe fast nur mit ihrer Freundin Conny Polcke telefoniert. Gelegentlich tauchten Verbindungen zum Festnetzanschluss zu Hause auf, vermutlich Gespräche mit den Eltern, von denen aber keines länger als zwei Minuten gedauert hatte. Gelegentlich ein Anruf in der Schule oder – sehr selten – bei einer anderen Mitschülerin als Conny Polcke. Ansonsten – nichts. Bis auf eine Ausnahme. Letzten Sonntag empfing Pia Eltwanger einen Anruf aus einer Telefonzelle in Schliersee. Das war gegen 14 Uhr 45 . Das Gespräch hatte vier Minuten gedauert. Es sei also auszuschließen, dass der Anrufer sich verwählt hatte. Danach wurde mit Pia Eltwangers Handy nicht mehr telefoniert. Dieser Anruf war das letzte Telefonat des Mädchens. Sechzehn Stunden später wurde ihre Leiche gefunden. Das Handy war nach diesem letzten Gespräch abgeschaltet worden und bis jetzt auch nicht aufgetaucht.
Janette hatte zusammen mit einem Rosenheimer Kollegen die Lehrer und Mitschüler von Gertraud Dichl befragt. Das Mädchen war nach deren Angaben eher unauffällig. Ihre Leistungen lagen etwas über dem Klassenschnitt. Mitschüler sagten aus, Gertraud Dichl sei in letzter Zeit auffallend guter Stimmung gewesen, habe aber den Grund dafür nicht nennen wollen und ein Geheimnis daraus gemacht. Zur Schule sei Gertraud Dichl in der Regel mit dem Zug gefahren. Der halte am Bahnhof in Mitterdarching. Zum Bahnhof fuhr sie mit dem Fahrrad. Auch im Winter. Falls die Straße zum Hof geräumt war. Sonst wurde sie von den Eltern zum Bahnhof gebracht. Gestern sei sie nach der Schule nicht mit dem Zug nach Hause gefahren. Das werde von mehreren Mitschülern bestätigt. Gertraud Dichl habe angegeben, sie habe noch eine Verabredung. Mit wem, habe sie nicht sagen wollen. Das Mädchen sei aber in Erwartung des Treffens sehr euphorisch gewesen. Zuletzt hatten sie zwei Mitschülerinnen gegen 13 Uhr 20 in einem Café in der Miesbacher Innenstadt gesehen.
Nach der Besprechung in großer Runde zog sich Wallner mit Mike in sein Büro zurück und setzte frischen Kaffee auf. Kurz darauf kam Lutz. Er hatte keine Lust auf sein leeres Haus. Wallner stellte einen Weihnachtsteller mit Manfreds fossilen Plätzchen auf den Tisch und schenkte Kaffee in die Becher. Mikes Tasse trug die Aufschrift »Guten Morgen, liebe Sorgen« und zeigte ein knollennasiges, unrasiertes Cartoongesicht, das mit blutunterlaufenen Augen und grimmem Zähnefletschen die Vermutung bekräftigte, dass der Satz ironisch gemeint war. Mike rollte auf einem Bürosessel über den Teppichboden und verschränkte die Hände hinter dem Kopf, während Wallner auf der Kante seines Schreibtisches saß und versuchte, von einem Zimtstern abzubeißen.
»Was haben wir bis jetzt?«, fragte Wallner.
Mike hatte mit dem rollenden Bürostuhl an seiner Kaffeetasse angehalten und versenkte vier Stück Zucker darin. »Völlig Schizo, der Typ. Der hat alles
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