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Der Prinzessinnenmörder

Der Prinzessinnenmörder

Titel: Der Prinzessinnenmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Föhr
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seit dessen Erbauung im Jahr 1968 . In den achtziger Jahren hätten sie der Wohnung unter ihm – wo jetzt Herr Kohlweit wohnte – das Apartment nebenan zugeschlagen. Das Apartment befand sich im angrenzenden Bau, der mit dem Nachbarhaus zwar grundbuchrechtlich eine Einheit bildete, von diesem jedoch durch eine Brandmauer getrennt war. Das Durchbrechen der Brandmauer hatte das Landratsamt nur mit der Auflage gestattet, dass das neu entstandene Zimmer jenseits der Brandmauer mit einer Brandschutztür versehen werde. Er, Sührstein, habe schon damals seine Bedenken vorgetragen. Natürlich habe er nicht ahnen können, dass die Brandschutztür einmal der Polizei die Arbeit erschweren würde. Aber das sei ja auch ein ästhetisches Problem. Wer will denn eine Brandschutztür in der Wohnung haben? Das sehe ja aus, als gehe es in den Keller. Auf Wallners Frage hin gab Sührstein an, die Tür zum ehemaligen Apartment existiere nicht mehr. Die habe man damals zugemauert. In das Zimmer – Wallner vermutete, dass es sich um das Schlafzimmer handelte, da es sonst in der Wohnung kein Bett gab – führe nur ebendiese Brandschutztür. Und natürlich das Fenster zum Garten.
    Inzwischen war Verstärkung gekommen. An ein Aufbrechen der Stahltür war nicht zu denken. Ein Schlosser war bereits unterwegs. Es blieb noch der Weg durchs Fenster. Aber Wallner wollte nicht riskieren, dass jemand verletzt wurde. Es war nicht klar, was sich hinter dem Fenster, dessen Vorhänge fest zugezogen waren, befand, noch wusste man, ob Kohlweit Schuss- oder Stichwaffen hatte und was er in seiner Verzweiflung tun würde, wenn jemand versuchte einzudringen. Die Tür war der sicherste Weg.
    Als Wallner sein Telefonat mit der Einsatzzentrale in Miesbach beendet hatte, kam der junge Polizist Schartauer auf ihn zu und sagte, er habe den Eindruck, der Kollege Kreuthner wolle das Zimmer stürmen. Auf die Frage, wie er zu dieser Vermutung komme, sagte Schartauer, Kreuthner habe bei Herrn Sührstein um eine Leiter gebeten. Wallner und Mike rannten nach draußen. Als sie aus der Haustür kamen, hörten sie Glas splittern. Kreuthner stand auf einer Aluminiumleiter und hatte mit dem Griff seiner Pistole das Fenster im ersten Stock eingeschlagen. Wallner rief ihm zu, er solle mit dem Schmarrn aufhören, der Schlosser sei gleich da. Aber Kreuthner war nicht mehr zu bremsen. Er lasse sich von dem Deppen doch nicht zum Narren halten. Wenn der Bursche nicht mit ihm reden wolle – bitte. Dann werde er ihn eben von einer anderen Seite kennenlernen. Kreuthner griff durch das Fenster und riss die Vorhänge auseinander. In jesusartiger Haltung, die Arme ausgebreitet, stand Kreuthner auf der Leiter und erstarrte. Dann entfuhren ihm die Worte: »Heilige Scheiße!«
     
    Kohlweit saß in einem schwarzen Ohrensessel. Die ganze Einrichtung des Zimmers war schwarz. Auch das Bettzeug. In einer Ecke war eine Art Altar aufgebaut mit einem Kruzifix. Aber an dem Kruzifix hing nicht der Sohn Gottes, sondern der Leibhaftige. Die schwarz gestrichenen Wände waren mit Kunstdrucken behängt, die allesamt düstere Motive zeigten. Von Hieronymus Bosch über Piranesi und Goya bis Francis Bacon. Der satanistische Comic-Kitsch aus dem Internet war Kohlweit dann doch zu billig gewesen. Der Kopf war Kohlweit auf die Brust gesunken, seine Arme hingen links und rechts über die Lehnen des Sessels. Unter den Händen glänzten auf dem schwarzen Teppichboden zwei dunkelrote Pfützen. Kohlweit hatte sich mit einem Messer die Pulsadern geöffnet. Lege artis mit zwei Schnitten parallel zu den Handgelenkssehnen. Das Blut floss schnell aus ihm heraus.
     
    Kreuthner hatte Kohlweit das Leben gerettet. Wenige Minuten später hätte man nichts mehr für ihn tun können. Man brachte Kohlweit in die psychiatrische Abteilung des Kreiskrankenhauses Agatharied. Wallner saß in dem cremefarben gestrichenen Raum des Stationsarztes. Vor dem Fenster ein weißes Gitter. An der Decke eine Neonlampe. Mike wartete vor der Tür, wo er ein Gespräch mit einer Pflegerin angefangen hatte.
    »Er hat sehr viel Blut verloren. Wir haben ihm sedierende Medikamente gegeben. Auf einen Tag wird es ja nicht ankommen«, sagte der Stationsarzt, ein ausgezehrter Mann von vierzig Jahren mit tiefliegenden Augen und dunklem Bartschatten auf Wangen, Kinn und um den Mund. Seine Augen blinzelten nervös. Wahrscheinlich ist er überarbeitet, dachte sich Wallner. Eigentlich sah der Arzt so aus, wie sich Wallner den Mörder der beiden

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