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Der Prinzessinnenmörder

Der Prinzessinnenmörder

Titel: Der Prinzessinnenmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Föhr
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kannte. Und die Leute kannten Kreuthner. Kreuthner war volksnah. Und das Volk war nah bei Kreuthner. Manchmal zu nah. Etwa im Bräustüberl, wo Kreuthner seinen Bierdeckel umdrehen musste, damit nicht jeder, der vorbeiging, sah, was er getrunken hatte. Nicht dass es übermäßig viel gewesen wäre. Sechs oder sieben Halbe. Da konnte Kreuthner schon noch Auto fahren. Bis acht Halbe hatte er keine Ausfallerscheinungen, die man beim polizeilichen Standardtest feststellen hätte können – hatte Kreuthner bei einem Selbsttest festgestellt. Als Polizist muss man wissen, wo man steht.
    Schon manchen Streit hatte Kreuthner durch Menschenkenntnis und Erfahrung geschlichtet, bevor Schlimmeres passiert war. Legendär etwa die Geschichte mit dem Zimbeck Peter. Der Zimbeck war einer, der dem Streit nicht aus dem Weg ging. Wenn dem nach einer Schlägerei ein Zahn fehlte und man fragte ihn, ob er nicht zum Zahnarzt gehen wolle, dann sagte er: Geh, Schmarrn, da lass ma schon a bissl was z’sammkemma. In der Regel kam auch was zusammen. Denn der Zimbeck war jedes Wochenende auf Tour und irgendeinen fand er schon, dem auch eine Zahnlücke fehlte. An einem föhnigen Oktoberabend fanden sich auf dem Parkplatz vom »Heidi & Bärbel« gleich ein Dutzend Zahnlückenfreunde zusammen und diskutierten über das Anrecht auf den letzten freien Parkplatz. Dabei war man unversehens ins Schlägern geraten, weshalb die Polizei gerufen werden musste. Im weiteren Verlauf hatte sich die Lage insofern dramatisch zugespitzt, als einige der Beteiligten Messer in der Hand hatten und davon auch eifrig Gebrauch machten, ohne dass es freilich zu Schlimmerem als leichten Schnittwunden gekommen war. Wie der Kreuthner und sein Kollege am Tatort eintrafen, verschwanden fast alle Messer in Hosentaschen. Nur einer hatte in der Hitze des Einstechens auf den Dorninger Hansi nicht mitbekommen, dass die Sache vorbei war – der Zimbeck Peter. Und so standen da der Zimbeck, in der einen Hand das blutverschmierte Messer, in der anderen Hand den Kragen vom Dorninger Hansi. Und dem Zimbeck gegenüber: Kreuthner. Nun war der Zimbeck keiner, der sich von einer Uniform ins Bockshorn jagen ließ. Denn er hatte gewaltige Kräfte und schiss sich nie auch nur das Geringste. Auf eine physische Konfrontation mit dem Zimbeck hätte sich kein Polizist am Tegernsee eingelassen. Zu zweit nicht und selbst zu sechst nur ungern. Kurz und gut: In dieser heiklen Situation waren die richtigen Worte gefragt. Kreuthner musterte den Zimbeck von oben bis hinunter zu den Cowboystiefeln. Sodann ließ er den Blick langsam wieder nach oben schweifen, bis das Messer erneut ins Bild kam. Kreuthner zog anerkennend die Brauen hoch und sah dem Zimbeck fest in die Augen. In die nur von einer Föhnbö durchbrochene Stille sagte Kreuthner den Satz: »Zimbeck – lass ’s Messer fallen, dann g’hörts dir nimmer.«
    Zimbeck dachte kurz über die Logik dieser Aufforderung nach. Dann fiel ein Messer zu Boden. Kreuthner hob es auf und ließ es ganz inoffiziell in seiner Uniform verschwinden. Die Beteiligten gingen auseinander, und Kreuthners Ruf als Hund war für alle Zeiten gefestigt. Die Begebenheit selbst wurde Tegernseer Folklore, und der Satz wird heute noch zitiert: Zimbeck, lass ’s Messer fallen …
    Jedenfalls galt Kreuthner als Bank, wenn volksnahe Lösungen gefragt waren. Zumindest kultivierte er diesen Ruf. Deshalb stand Kreuthner jetzt vor der Stahltür. Auf der anderen Seite Herr Kohlweit, von dem man nicht wusste, was er hinter der Tür gerade trieb.
    »Herr Kohlweit! Hören S’ auf mit dem Schmarrn! Des hat doch koan Taug nimmer!« Kreuthner wartete eine Weile, damit seine Worte Wirkung entfalten konnten. »Das Spiel ist aus!«, schickte er in seinem besten Hochdeutsch hinterher.
    »Vielleicht erzählst ihm mal was Neues. Oder was glaubst, ham mir ihm g’sagt?«, raunzte Mike.
    »Es kommt halt drauf an, wie was g’sagt wird.« Kreuthner betrachtete die Stahltür. »Kann der uns überhaupts hören, durch die Stahltür?«
    »Frag ihn.«
    »Herr Kohlweit!«, schrie Kreuthner auf die Tür ein. »Hören Sie mich?!«
    Es blieb stumm hinter der Tür.
    »Scheiße, was macht der da?«
    »Wahrscheinlich Beweismittel vernichten«, spekulierte Wallner.
    »Ja, des geht ja net. Da müss’ ma rein.« Kreuthner sah die Chance gekommen, sein Missgeschick von vorhin auszuwetzen, und entfaltete sprühende Energie.
    Ein Jens Sührstein wohnte im zweiten Stock über Kohlweit. Sührstein lebte im Haus

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