Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde
Seile und Sprossenwände. Hinzu kamen das dauernde Duschen mit dazugehöriger sanitärer Inspektion sowie all diese Knaben in ihren engen kurzen Hosen und Unterhemden. Etliche von ihnen noch ohne Muskeln, hell- und weißhäutig, genau wie gewisse kleine Jungen sein sollen. Andere von uns schlank, geschmeidig und durchtrainiert, wie kleine Jungen das ebenfalls sein können.
Was mich weit später bekümmert, ist die Tatsache, dass weder der Major noch sein Nachfolger niedrigeren Ranges diese Neigung gehabt zu haben scheinen. Ich habe über diese Sache gründlich nachgedacht. Ich glaube, das war einfach nur ihre Art. Ihnen war die körperliche Erziehung wichtig, ihre Ansprüche an Disziplin, Reinlichkeit, aufrechte Haltung, Bauch rein, Brust raus, blaue Augen und fester Händedruck waren hoch. Das klingt natürlich gelinde gesagt seltsam, aber das ist die beste Erklärung, die mir einfällt.
Mit meinen akademisch geschulten Lehrern verhielt es sich hinsichtlich ihrer Einsätze als Erzieher und Vorbilder anders. Ein recht repräsentativer Typus war mein erster Englischlehrer, der sich am einfachsten als exzentrischer und wohlformulierter Stutzer anglophilen Zuschnitts bezeichnen lässt. Um die Sache zu komplizieren, war er auch ein fähiger Wissensvermittler, aber ich erinnere mich überhaupt nur noch an ihn, weil er Nasenpopel in pädagogisch gemeinte Projektile von fast gummiartiger Konsistenz verwandeln konnte.
Wir ziehen in unseren Bänken den Kopf ein, während wir englische Verben konjugieren, und unser lieber Oberlehrer sitzt bequem in seinem Lehnstuhl zurückgelehnt und fischt Popel aus seiner großen Nase. Er begutachtet diesen genau, nickt zufrieden vor sich hin, wenn er ein besonders schönes Exemplar geborgen hat. Dann rollt er ihn zwischen Daumen und Zeigefinger seiner rechten Hand und verwandelt ihn in eine kleine Kugel, die er dann ins Klassenzimmer schnippt. Vorzugsweise in eine Richtung, in der die englische Aussprache seine Missbilligung gefunden hat oder die Konjugation zum Erliegen gekommen ist.
Im Großen und Ganzen recht harmlos, nicht zuletzt im Vergleich zu den Übergriffen, die sich einer seiner Kollegen in Bezug auf einen meiner Mitschüler zuschulden kommen lässt, als wir gerade aus den Sommerferien zurück sind und die zweite Klasse des Realgymnasiums beginnt.
Als ich die höhere Schule besuchte, wurde alles, was in der Schule geschah, in einem Klassenbuch vermerkt. Ein großes, recht dünnes Buch mit festem Einband, das vom Klassensprecher verwaltet wurde. Ins Klassenbuch wurden eingetragen: alle Schüler, die im Unterricht fehlten, alle Verweise, die erteilt wurden, und alles andere, was im Zusammenhang mit dem Unterricht geschah und schriftlich festgehalten werden musste. Es gab eine Liste der Schüler in alphabetischer Reihenfolge, ein Logbuch dessen, was wir unternahmen. Ganz zuoberst auf der Liste dieser Klasse steht der Name meines Schulkameraden.
Er heißt Rolf Andersson, als die Sommerferien beginnen, und als wir zum Winterhalbjahr in die Schule zurückkehren, hat er seinen Namen geändert und heißt jetzt Rolf Askenstam. Er ist klein und blond, still und rücksichtsvoll. Er macht kein großes Aufhebens, obwohl er einen Vater hat, der im königlichen Schloss arbeitet, ein Bedienter Seiner Majestät, des Königs Gustaf VI . Adolf. Er stammt aus der Arbeiterklasse, wenn man so will, ist aber alles andere als ein normaler Arbeiterjunge.
Jetzt sitzen wir in unseren Bänken. Unser Klassenlehrer schaut rasch ins Klassenbuch, das ihm unser Klassensprecher hingelegt hat. Bereits bei der ersten Zeile merkt er auf. Zieht die Brauen hoch, runzelt die Stirn, gestaltet, was er gerade gesehen hat und weiter vorhat, zu einem Auftritt.
»Askenstam«, sagt er und wirft einen fragenden Blick auf die Klasse. »Wir haben hier in der Klasse offenbar einen neuen Schüler.«
»Das bin ich«, antwortet Askenstam und hebt die Hand.
»Aha, ach so«, sagt unser Lehrer. »Seltsam«, meint er und streicht sich mit der Hand über das Kinn. »Askenstam, du siehst einem anderen kleinen Lümmel, den wir im letzten Schuljahr hierhatten, zum Verwechseln ähnlich. Ich glaube, er hieß Andersson.«
»Ja, das bin ich«, antwortet Askenstam. »Wir haben unseren Namen geändert. Mein Vater hat den Namen geändert, und jetzt heißen wir nicht mehr Andersson.«
»So was aber auch. Dann bist du ja doch Andersson«, stellt unser Klassenlehrer fest.
Anschließend zieht er seinen Füllfederhalter aus der
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