Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde
was nicht ganz astrein ist und wovon er nicht sprechen will. Die eine oder andere Möwe, eine Amsel oder ein Eichhörnchen sind doch nicht so tragisch, wenn man acht Jahre alt ist.
Das Problem ist, dass ich viel zu schwach bewaffnet bin. Mein Luftgewehr eignet sich für Amseln und Kleineres, aber als ich es an einer Silbermöwe ausprobiere, fliegt sie einfach weiter, obwohl ich mir sicher bin, sie getroffen zu haben. Das Problem löst sich jedoch schneller, als ich ahne.
Als ich in den Sachen herumwühle, die der alte Corneliusson hinterlassen hat, finde ich ein altes Kleinkalibergewehr. Es liegt unten im Bootshaus unter einem Haufen Netze und Hummerreusen noch in demselben Karton, in dem es gekauft worden war. Zum Bootshaus ist Papa in seinem Renovierungseifer noch nicht vorgedrungen. Es ist ein Remington-Gewehr, das man abknickt, mit einer Patrone lädt und dann wieder streckt.
Genau wie bei meinem Luftgewehr, das Diana heißt und nach der Göttin der Jagd benannt ist. Dann muss man nur noch den Hammer spannen, tief Luft holen, ausatmen, genau zielen und abdrücken. Eine Remington richtet mehr aus als das Diana. Mit einer solchen Flinte kann man sogar einen Elch erlegen, wenn man genug Verstand hat, richtig zu treffen. Das weiß ich, denn das haben mir alle großen Jäger der Familie erzählt.
Munition kaufe ich im Dorfladen in Hogdal. Der Kaufmann verspricht mir, beim Eisenwarenladen in Strömstad anzurufen und sie zu bitten, einen Karton mit dem Bus mitzuschicken. Ich kann ihn am nächsten Tag abholen. Ein Karton mit fünfzig Patronen kostet sechs Kronen. Ich kaufe hundert und bekomme sie für einen Zehner. Er fragt mich nicht einmal, ob sie für mich oder für meinen Vater sind. Das hier sind die frühen fünfziger Jahre, und in den Häusern des Dorfes gibt es eine Unmenge Waffen, Elchgewehre, Schrotflinten, Kleinkalibergewehre, alte Pistolen und Revolver. Sie hängen über der Küchenbank, stehen in der Diele hinter der Tür, wenn man eintritt, werden unterm Bett im Schlafzimmer verwahrt, liegen in der Schublade des Nachttischs oder in einem der Nebengebäude. Waffen muss man ganz in der Nähe aufbewahren, denn wenn man sie wirklich braucht, muss es schnell gehen. Außerdem gab es sie immer, und da ist weiter nichts dabei. Waffen sind ein Teil des Lebens. Genau wie Spaten, Hacken und der Pflug.
Die Einzige, die diese Meinung nicht teilt, ist eine Frau aus dem Dorf. Mama hat mir von ihr erzählt. Sie hat bei uns Kaffee getrunken. Sie bewegte sich mit Hilfe zweier Stöcke, aber ich wage nicht, sie zu fragen, warum. Außerdem weiß ich, dass Mama es mir erzählen wird, sobald wir wieder allein sind.
In einem Sommer vor zwanzig Jahren hat sie ein Tanzvergnügen besucht, und als sie nachts nach Hause kommt, nimmt sie die Abkürzung über den Hofplatz des Nachbarn. Dieser hat eine Falle aus einer Schrotflinte und einem Stahldraht gebaut, und als sie am Hühnerstall vorbeigeht, bekommt sie eine Ladung Schrot in die Wade, worauf ihr Bein nicht mehr zu retten ist. Das Ganze wird jedoch aufs Beste geregelt. Sie überlebt, und während sie sich im Lazarett in Uddevalla aufhält, bekommt sie eine Prothese, mit der sie laufen kann. Sie ist sogar richtig gut, denn ich habe selbst gesehen, dass sie laufen kann. Ihr Vater und der Nachbarbauer einigen sich finanziell und mit Handschlag darauf, dass alles vergessen und verziehen ist. Ich beschließe, Papa nichts von meinem neuen Kleinkalibergewehr zu sagen. Es Mama zu erzählen, ist ausgeschlossen. Was verstehen Frauenzimmer schon von Waffen, außerdem würde sie es doch nur umgehend Papa erzählen.
Während des folgenden Sommers schieße ich eine große Anzahl Möwen und Seeschwalben, Amseln, Dohlen und Krähen, einige Dutzend Eichhörnchen und sechs Wildnerze an dem Bach, der an unserem Haus vorbeifließt. Außerdem schieße ich einen Auerhahn, obwohl Sommer ist. Als ob der sich um die ganzen Küken kümmern würde, die er in die Welt setzt.
Den Auerhahn brate ich heimlich am Strand über offenem Feuer. Wie er schmeckt, habe ich in der Tat vergessen. Es geht um etwas anderes. Im Sommer lebt Professor Wille Flügelmutter ein ganz anderes Leben als in der Stadt. Er ist Jäger und Fischer, ein Mann der Wildnis, der mit Hilfe seines geliebten Gewehrs, seines Messers und seiner Angelsachen überlebt. Abends und nachts liest er im Schein seiner Taschenlampe in seinem Zimmer unterm Dach. Er fühlt sich geborgen und ist zufrieden mit seinem Leben, und das Kleinkalibergewehr
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