Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde
damit zu nicken, und ich weiß nicht recht, wie ich weitermachen soll. Ich erzähle von den Füchsen, von meinem Lehrer Hedberg, der zwei Füchse vom selben Ansitz aus in einem zeitlichen Abstand von nur einer Sekunde erlegt hat. Und von den warnenden Worten, die er uns mit auf den Weg gegeben hat.
»Die Leute reden so viel Unsinn«, sagt Papa und seufzt. »Darüber können wir reden, wenn du ein Mädchen kennengelernt hast, das du magst.«
»Das soll uns später kümmern«, meint er noch, und plötzlich klingt er genau wie Großvater. Dann fährt er mir durchs Haar und sagt, es sei höchste Zeit, etwas zu essen. Mehr als das sagt er auch in Zukunft nicht.
29.
Wird der Hodensack beim Beischlaf ebenfalls eingeführt?
Den zweiten und letzten Sexualunterricht gibt es in der letzten Klasse der Mittelstufe, und da ist es bereits zu spät. Unser Biologielehrer heißt Ödman und wird natürlich Ödlan (Echse) genannt, obwohl er einer solchen nicht im Geringsten ähnlich ist. Im Gegenteil hat er ein harmloses Gemüt und züchtet in seiner Freizeit Bienen. Außerdem ist er unter anderem ein großer Gegner der Jagd. Es scheint ihm am wichtigsten zu sein, dass wir in den Sommerferien Pflanzen sammeln und zwischen Löschpapier pressen, bis sie getrocknet sind und wir sie in unseren eigenen Herbarien einordnen können.
Ödlan ist Humanist, ein gebildeter Mann, und er kommt ohne Schaubilder zurecht. Da wir über heikle Dinge sprechen wollen, bei denen es einem schwerfallen kann, offen zu reden, beginnt er die Stunde damit, uns zehn Minuten zum Nachdenken zu geben. Falls wir zu diesem heiklen Thema Fragen haben, können wir sie auf einen Zettel schreiben und diese in die kleine Schale legen, die er zu diesem Zweck aufs Lehrerpult gestellt hat. Wir brauchen keinen Namen auf den Zettel zu schreiben und dürfen jede beliebige Frage stellen. Dann verlässt er das Klassenzimmer, und sobald er die Tür hinter sich geschlossen hat, übernehmen die führenden Lümmel der Klasse, die Zwillingsbrüder Per und Ove, und ihr ständiger Gefolgsmann Tobbe das Kommando. Wir sollen alle dieselbe Frage auf den Zettel schreiben. Will man keinen Zettel schreiben, ist das auch vollkommen okay. Aber im Übrigen ist dieselbe Frage angesagt. Wenn nicht, gibt es Prügel, und zwar dieses Mal gründlich.
Etwa ein halbes Dutzend von uns schreibt einen Zettel, etwa die Hälfte derer, die die Klasse besuchen, und da ich bereits bin, wie ich bin, nehme ich es natürlich sehr genau damit, meine Handschrift zu verstellen und keine schweißnassen Fingerabdrücke zurückzulassen. Schließlich kann man nie wissen. Ödlan rastet vielleicht aus, wenn er sich der Abgründe bewusst wird, die in unseren Köpfen existieren, und außerdem kann man nie vorsichtig genug sein.
Dann tritt Ödlan wieder ein, und die Augen aller in der Klasse leuchten erwartungsvoll, selbst derer, die keine Frage gestellt haben. Ödlan nimmt den ersten Zettel, liest, seufzt. Legt ihn beiseite, nimmt den nächsten, liest. Seufzt erneut, liest den dritten. Jetzt schüttelt er bekümmert den Kopf, und wir können auf seinen Wangen eine leichte Rötung erkennen. Dann schiebt er die Schale mit den unbeantworteten Fragen weg. Er nimmt sämtliche Zettel und wirft sie in den Papierkorb, auch die Zettel, die er nicht gelesen hat.
»Ich mache mir Sorgen um euch, Jungens«, sagt Ödlan, seufzt, schaut an die Decke.
Dann muss unser Klassensprecher runter in den Kartenraum gehen und ein Schaubild holen, das Ödlan neben die Tafel hängt. Es zeigt die männlichen und weiblichen Geschlechtsorgane. Sicherheitshalber auch als Aufriss, und so gesehen haben wir uns einen großen Schritt von den Blumen und Bienen entfernt.
Dann erzählt Ödlan von den verschiedenen physiologischen Reaktionen, die unter anderem dazu führen, dass man in der Pubertät eine tiefere Stimme, Pickel, Haare an neuen Stellen und außerdem eine »Erektion« bekommt. Das Wort Latte verwendet er natürlich nicht, aber wir verstehen trotzdem, was er meint.
Hingegen vermeidet er tunlichst, auch nur ein einziges Wort über die Lust, die Sehnsucht und die Trauer zu verlieren, die unserer Sexualität ihren Inhalt gibt und mit der sich das beschreiben ließe, was in unseren Köpfen vorgeht, obwohl wir es nicht wagen, darüber zu sprechen. Alles, was unauflöslich, unaufhörlich und unerbittlich mit dem verbunden ist, was wir Latte nennen. Die Person, die unser Partner sein könnte, wird mit keinem Wort erwähnt, sie oder er wird mit
Weitere Kostenlose Bücher