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Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde

Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde

Titel: Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif GW Persson
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er ganz zu spielen auf. Er springt auf, läuft auf mich zu, packt mich am Arm und schleift mich zur Tür.
    »Du bist das«, schreit er. »Verschwinde, raus!«
    Er fuchtelt mit den Armen und zetert, als wäre er der weltberühmte Dirigent der Stockholmer Oper, von dem ich gerade in der Zeitung gelesen habe.
    Ich bin im Stimmbruch. Ich habe keine Ahnung, warum, aber es kümmert mich auch nicht sonderlich. Ich halte es fast für eine Belohnung, da die schlimmsten Lümmel aus der Klasse keine Möglichkeit auslassen, die, die noch im Chor singen, zu verspotten, weil sie noch keine »Haare am Schwanz« haben. Ich verstehe nicht, was sie meinen, aber ich bin trotzdem zufrieden. Auch die Pickel, die auftauchen und wieder verschwinden, sind mir egal. Schließlich gibt es schon zu jener Zeit Zinksalbe. Auch die ersten Anzeichen lästigen Haarwuchses machen mir weiter nichts aus, obwohl diese Haare jucken und an den erstaunlichsten Stellen auftauchen.
    Meine Mutter löst meine Probleme auf ihre Art. Im Herbst sorgt sie dafür, dass ich an Holger Rosenquists Tanzschule eingeschrieben werde. Einen Abend in der Woche ziehe ich eine graue Flanellhose, einen blauen Blazer, ein weißes Hemd und einen Schlips an, kämme mir die Haare mit einem nassen Kamm und gehe zu Fuß zur Tanzschule in der Humlegårdsgatan, Holgers Reich. Er ist eine unglaubliche Prachtschwuchtel, die die heutigen männlichen Jurymitglieder von Let’s Dance wie hartgesottene Gesellen erscheinen lassen würde.
    Ich begreife Holger nicht. Nicht seine äußere Erscheinung und warum er so seltsam redet. Ich bilde mir ein, dass er eine Rolle spielt. Vielleicht die Hauptrolle in irgendeinem Molière-Stück, das ich im Radio gehört habe. Dort benehmen sich die Leute auch unglaublich seltsam. Holger hat drei Mitarbeiter. Ein mageres und verschrecktes Frauenzimmer, das Klavier spielt, und zwei jüngere Assistenten, die eineiige Zwillinge sein könnten, obwohl es sich um Mann und Frau handelt. Sie sehen aus, sprechen und bewegen sich wie Holger, obwohl sie nur ein Drittel so alt sind.
    Ich lerne normalen Walzer, Wiener Walzer, Foxtrott, Tango, Rumba, Twostepp und Quickstepp und alles mögliche andere auch. Am wichtigsten sind jedoch die Haltung und der Abstand zum Tanzpartner. Tanz ist eine Kunstform und kein suspekter Vorwand für zwischenmenschliche Kontakte, und mit Rumschmusen hat es schon gar nichts zu tun. Vergesst das nie, nie, sagt Holger und droht uns mit dem Zeigefinger.
    Holger beginnt damit vorzuführen, wie es geht. Er fegt wie ein Wirbelwind mit seiner Assistentin in den Armen über den polierten Parkettboden. Ein konzentrierter Wirbelwind, denn er hält sich gerade wie ein Schürhaken und hält seine Tanzpartnerin so weit von sich weg, wie seine Arme das überhaupt nur zulassen. Er erinnert in keiner Weise an die Tanzplatzkönige, die ich bei Großmutter im Volkspark beobachtet habe.
    Dann sind die Schüler an der Reihe. Sich verbeugen und zum Tanzen auffordern, gerader Rücken, gereckter Hals, ich halte meine Partnerin so weit von mir weg, wie mir das meine kurzen Arme überhaupt nur erlauben, und bereits bevor die arme Pianistin den ersten Akkord angeschlagen hat, läuft mir der Schweiß über den Rücken. Ich bin nämlich, ohne es selbst zu begreifen, meiner ersten Liebe begegnet. Ich wende alle meine List dafür auf, um immer nur sie aufzufordern. Ich habe keine Lust, sie zu ärgern, und als wir im dunklen Abend nach Hause gehen, denke ich auch nicht im Entferntesten daran, ihr Schnee in den Kragen zu stopfen. Ich begleite sie bis zur Haustür und verbeuge mich, als ich ihr die Hand reiche. Mehr tue ich nicht, obwohl mein Herz so heftig klopft, dass es aus meiner Brust zu springen droht.
    Sie dankt mir dafür, dass ich sie nach Hause begleitet habe, und lächelt mich schüchtern und mit zur Seite geneigtem Kopf an. Sie vermeidet es, mir in die Augen zu sehen. Dann verschwindet sie in ihrem Haus. Sie begreift genauso wenig wie ich, was eigentlich passiert, und erst im Frühjahr bringe ich den Mut auf, sie zu fragen, ob ich mit ihr ausgehen kann.
    Ich frage sie, ob sie mich in den Zirkus begleiten will, weil sie mir erzählt hat, dass Pferde und Gymnastik ihre großen Freizeitinteressen sind. In dem Augenblick, in dem sie einwilligt, bin ich ein verurteilter Mann, und im Laufe einiger Tage werde ich mich falsch herum auf ein Pferd setzen.
    Wie kann es sein, dass sich ausgerechnet Peinlichkeiten, klebrige, aufdringliche Nichtigkeiten so im Kopf festsetzen?

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