Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde
schneller ging es. Genau wie bei normalen Molekülen, die sich mit zunehmender Umgebungstemperatur immer schneller bewegten, und es war ein großes Glück für uns, dass er seine Chemikerhände hatte. Die einzigen Hände, die sich dazu eigneten, mit den Erscheinungen und Stoffen umzugehen, die von so entscheidender Bedeutung waren, sowohl für das gute Wachstum der Menschheit als auch für die Bildung seiner Schüler, Hände, die sowohl gegen Hitze als auch Kälte abgehärtet waren, Chemikerhände.
Zeit für das Faraday-Experiment. Molekylen hat an alle Knaben der Klasse Glasstäbe und Wildlederlappen ausgeteilt. Jetzt steht er vorne am Pult und macht es vor. Er hebt den Glasstab mit der Linken hoch, hält den Lappen in der Rechten und reibt den Stab kräftig, runter und rauf, runter und rauf. Dann hört er auf zu reiben, hält vorsichtig den Nagel des kleinen Fingers seiner Rechten an den Stab, und sogar die, die ganz hinten sitzen, sehen, wie der Funke vom Glasstab auf den kleinen Finger seiner rechten Hand überspringt.
»Bitte, meine Herren«, sagt Molekylen. »Wiederholt das Experiment. Etwa zwanzig Mal kräftig reiben dürfte genügen. Wenn man es mit Elektrizität zu tun hat, muss man vorsichtig sein.«
Alle tun, was Molekylen vorgemacht hat. Mit drei Ausnahmen, die alle ganz hinten im Raum sitzen, die Lümmel der Klasse, Per und Ove, die zwei Jahre älter sind als wir, und ihr Gefolgsmann Tobbe, der nur ein Jahr älter ist. Sie verwenden eine ganz andere Technik, um statische Elektrizität zu erzeugen als die, die sowohl von Michael Faraday als auch von Molekylen empfohlen wird.
Sie schieben ihre Glasstäbe zwischen die Beine, drücken sie in den Schritt, beugen sich vor und beginnen wie verrückt zu reiben. Gleichzeitig stöhnen sie leise und verdrehen die Augen. Als es Zeit für den Funken ist, stöhnen sie noch lauter, und man sieht das Weiß ihrer Augen. Molekylen sieht und hört nichts. Er ist ganz und gar damit beschäftigt, das nächste Experiment vorzubereiten.
»Verdammte Hacke«, sagt Per, als es zur Pause klingelt und wir den Physiksaal verlassen. »Dieser Faraday hat sich wirklich ausgekannt. Jetzt hab ich auch noch einen Steifen gekriegt und muss sofort aufs Klo.«
Ein paar Monate später stehe ich selbst in der Toilette unserer Wohnung. Ich will eigentlich pinkeln, aber bereits bevor ich den Reißverschluss öffne, habe ich eine solche Latte, dass ans Pinkeln nicht mehr zu denken ist.
Ohne selbst zu begreifen, wie das zugeht, beginne ich stattdessen Faradays Experiment zu wiederholen. Ich beuge mich vor, stütze mich mit der linken Hand an der Wand über dem Waschbecken ab, zwanzig kräftige Bewegungen mit der Rechten, der Funken springt plötzlich über, und in meinem Kopf wird es ganz hell, der weiße Samen, der aus mir herausspritzt, in Stößen, die von meinem Schritt ausgehen und meine zittrigen Beine erfassen, die Muskeln meiner Arme und den Oberkörper, der sich krümmt, während all das Weiße auf dem Spiegel über dem Waschbecken landet.
Wenn sich dieses Gefühl, von dem ich gerade spreche, als »Ausschweifung und Glück« bezeichnen lässt, so habe ich gerade das bislang mächtigste Gefühl meines jungen Lebens erlebt. Ich spreche nicht von Trauer, denn Trauer richtet sich nach innen und kann einen, wenn sie groß genug ist, ersticken. Ich spreche vom Gegenteil der Trauer. Vielleicht auch davon, wie wir Ersteres suchen, um Letzteres verkraften zu können.
Ich kann tanzen, ich habe gerade wichsen gelernt, ich kann zwar nicht reiten, aber im Wesentlichen bin ich bereit, mich dem Leben zu stellen. Höchste Zeit, denn in einem guten Jahr beginne ich die Oberstufe des Gymnasiums.
IV.
Teenager, Oberstufe,
Wehrdienst
33.
Eigene Hormone
Wenn ich als Eunuch zur Welt gekommen wäre, dann hätte ich es wissenschaftlich und in meiner Karriere beliebig weit bringen können. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass ich dann die drei Nobelpreise in Physik, Chemie und Medizin errungen hätte und damit Norra Reals Sonderstellung unter allen höheren Schulen der Welt auf ewige Zeiten gesichert hätte. Gleichzeitig hätte ich Madame Curie, Linus Pauling, John Bardeen und Frederick Sanger ordentlich übertrumpft.
Ein Eunuch würde nie ständig an Frauen denken, aber ich tue das immer noch. Trotz Erreichen des Rentenalters und obwohl mein Testosteronlevel ein Problem ist, das in den letzten Jahren stetig abgenommen hat. Vor fünfzig Jahren war meine Situation jedoch eine ganz
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