Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde
totalem Schweigen übergangen, und dann ist die Stunde auch schon vorbei.
Als wir Pause haben und in der Toilette heimlich rauchen, ist die Stimmung gut. Fast alle aus der Klasse sind da, obwohl die meisten von uns nicht rauchen.
»Ich deute Ödlans Schweigen so, dass der Sack während des Geschlechtsverkehrs eingeführt wird«, sagt Per. »Wer schweigt, ist meiner Meinung. Oder was meint ihr, Freunde?«
Alle lachen, am lautesten lachen die, die es nicht gewagt haben, eine Frage aufzuschreiben. Auch ich lache.
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Eine tickende Bombe männlicher Hormone
Norra Real, die höhere allgemeinbildende Knabenschule, die ich besuche, ist eine tickende Bombe, randvoll mit männlichen Hormonen, die starke Triebe, unsittliche Fantasien, Verliebtheiten und vielleicht sogar normale Liebe hervorrufen. All das hat man eingeschlossen und dann den Schlüssel weggeworfen.
Die Schule ist eine Verwahranstalt für ein halbes Tausend Knaben zwischen zehn und zwanzig, und für uns gibt es nur drei Methoden, unsere sexuelle Not zu lindern, wir raufen und streiten miteinander, spielen unseren Lehrern Streiche oder widmen uns intensiv dem Lernen. Die kommenden Nobelpreisträger, und dazu fühlen sich einige berufen, bilden die Mehrheit der letzten Gruppe. Sie werden die Schule mit hervorragenden Noten verlassen, ohne auch nur ein einziges Mädchen auf die Wange geküsst zu haben. Sie haben dank ihrer erfolgreichen Sublimierung der sonst störenden Triebe diesen Gedanken vielleicht nicht einmal gedacht.
Sie sind, was Letzteres betrifft, alles andere als allein. Die männlichen Schüler der damaligen höheren Schulen sind in der Regel Jungfrauen, bis sie auf die Universität kommen und dort die erste Frau ihres Lebens treffen. Dieselbe Frau, die sie oft genug sogar auch heiraten. Ich weiß nicht, ob ich zu sehr von meiner ländlichen Abstammung geprägt bin, aber ich finde das schrecklich und bin überzeugt davon, dass dies viel gefühlsmäßiges Elend zur Folge hat.
Wie immer gab es auch eine kleine Gruppe Oppositioneller. Bei vielleicht zehn Prozent von uns war das Interesse an Mädchen zu intensiv, als dass es sich mit den gängigen Mitteln hätte kontrollieren lassen. Ich selbst besuche bereits die Oberstufe, als ich ein vollwertiges Mitglied dieser Gruppe werde, aber bis zum letzten Jahr der Mittelstufe muss ich mich wie die meisten anderen durchschlagen. Es gibt zwar auch eine vierte Methode, den Druck abzulassen, aber es dauert eine Weile, bis ich weiß, wie das geht, und auch in dieser Hinsicht bin ich nicht allein.
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Ich beginne an Holger Rosenquists Tanzschule und setze mich falsch herum auf ein Pferd
Die letzten Jahre in der Mittelstufe sind eine Zeit des Verlangens. Verlangen ist ein gutes und ein schönes Wort. Die Zeit des Umbruchs, in der mein Inneres von einer unerklärlichen, unerfüllten Sehnsucht heimgesucht wird, ohne dass ich mir selbst einen Reim darauf hätte machen können. Am allerwenigsten dahingehend, dass irgendwelche geheimnisvollen »Hormone« die Unordnung in meinem Kopf und in meinem Körper verursachen.
In dieser Zeit geschehen viele seltsame Dinge in meinem Leben. Beispielsweise mit meiner Stimme, die sich binnen einer Sekunde von einem feinen Knabensopran in einen röchelnden Trinkerbass verwandelt. Ich singe im Knabenchor der Schule und stehe mit meinen kleinen Klassenkameraden ganz vorne. Ganz hinten stehen die Schüler, die das letzte Jahr des Gymnasiums besuchen und bald ihr Abitur machen. Sie sind einen halben Meter größer als wir und haben alle unverhältnismäßig lange Hälse. Es dauert ein paar Jahre, bis ich begreife, warum. Also warum die, die ganz hinten standen, so lange Hälse hatten. An die Körpergröße denke ich überhaupt nicht. Wir wachsen schließlich alle die ganze Zeit ganz ungemein. Sie haben einfach mehr Zeit zum Wachsen gehabt, so einfach ist das.
Der Knabenchor der Schule probt für die Abschlussfeier vor den Sommerferien. Die Nationalhymne, die Königshymne, die alten, vertrauten sommerlichen Kirchenlieder, natürlich auch unser Paradestück, das ebenfalls obligatorische Huldigungslied auf Norra Real. Norra Real, geliebte Schule, die uns Freude und Mühen bereitet. Text und Melodie von unserem eigenen Musiklehrer, Sångis.
Auf dem Podium sitzt Sångis und hämmert in die Tasten. Er hat eine grübelnde, in sich gekehrte Miene aufgesetzt, dann legt er die Linke hinters Ohr und beugt sich zum Chor vor, so dass er fast von seinem Klavierstuhl fällt. Plötzlich hört
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