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Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde

Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde

Titel: Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif GW Persson
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Dass gerade diese Erinnerung jederzeit über fünfzig Jahre später auftauchen kann und immer noch dazu führt, dass ich mich meiner selbst schäme? Eine Weile glaubte ich, dies ließe sich auf eine obskure psychoanalytische Weise erklären. Dass es vielleicht mit meinem ersten Zirkusbesuch, als Sune mich verspottete, weil ich nicht begriff, dass der Mann, der vom Esel fiel, beim Zirkus arbeitete, zusammenhing.
    Die Vorstellung verläuft ohne Missgeschicke. Ich sitze mit verkrampften, schweißnassen Händen da und kriege kaum mit, was unten in der Manege passiert. Die erste Frau in meinem Leben scheint sich zu amüsieren. Sie verleiht ihrer Begeisterung mit leisen Seufzern und Ausrufen Ausdruck, obwohl auch sie sich bemüht, ihre Hände zu kontrollieren.
    Die Vorstellung ist zu Ende. Vor dem Zelt steht ein richtiger Cowboy und hält ein gesatteltes Pferd am Zügel. Für fünf Kronen kann man sich auf dem Pferd fotografieren lassen. Das ist eine riesige Summe, aber als Gentleman und Lebemann bleibt mir keine Wahl. Meine Angebetete springt auf den Pferderücken, es blitzt, und man lobt sie für ihren guten Sitz und hilft ihr mit einer ausgestreckten Hand wieder zu Boden. Jetzt sehe ich auch, dass es gar kein richtiger Cowboy ist, sondern nur ein dubioser Zirkusmann, der die Frechheit hat, mit meinem Mädchen zu flirten, obwohl er ihr Großvater sein könnte. Nach Schnaps riecht er auch, obwohl es sich um einen normalen Sonntagnachmittag handelt.
    Dann bin ich an der Reihe.
    »Ich reite gelegentlich auf dem Land«, sage ich. »Meist ohne Sattel.« Ich versuche das Lächeln von John Wayne nachzumachen, schließlich habe ich ihn im Kino gesehen.
    Das andere stimmt jedoch nicht. Das ist gelogen. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nicht auf einem Pferd gesessen, und es fällt mir nicht weiter schwer, den falschen Fuß in den Steigbügel zu setzen, mich hinaufzuschwingen und falsch herum auf dem Pferderücken zu landen.
    In der nächsten Tanzstunde tanzt sie bereits mit einem anderen.

32.

Wie ich im Physikunterricht auf Norra Real das Wichsen lernte
    Im Physikunterricht auf Norra Real lernte ich wichsen, und wenn ich meinem Physik- und Chemielehrer, Molekylen, Glauben schenken darf, so war das eigentlich Michael Faradays Verdienst. Faraday war Engländer, kam Ende des 18. Jahrhunderts zur Welt, Physiker und Autodidakt und hauptsächlich daran interessiert, mit Elektrizität und Magnetismus zu experimentieren. Ein Experiment, das Faraday ersonnen hatte und das wir Schüler gut hundert Jahre später wiederholen durften, lief darauf hinaus, statische Elektrizität zu erzeugen, indem wir einen Glasstab mit einem Wildlederlappen abrieben. Habe man eine Weile gerieben, so könne man den Fingernagel an den Glasstab halten, einen leichten elektrischen Schlag erhalten und sogar den Funken vom Stab auf den Finger überspringen sehen.
    Dies laut unserem Lehrer Molekylen, und ich hatte gegen diese Geschichtsschreibung nichts einzuwenden, obwohl ich es in der Tat besser wusste. Bereits den alten Griechen war dasselbe geglückt, indem sie einen Bernstein gegen ein Leinentuch gerieben hatten. Das hatte ich dem Nachschlagewerk in der Schulbibliothek entnommen und für diese Erkenntnis nicht einmal meine putzende Mutter zur Konsulin begleiten müssen. Aber um solche Bagatellen kümmerte sich niemand, und außerdem war Molekylen einer meiner absoluten Lieblingslehrer.
    Ich muss in diesem Zusammenhang ein wenig ausholen. Ich erinnere mich mit Freude an ihn, und Charles Dickens hätte ihn geliebt. Vielleicht hätte ich ihn sogar erfunden, wenn es ihn in der Wirklichkeit nicht gegeben hätte. Molekylen war klein und rund, hatte eine rötliche Haut und eine Glatze, die von einem Kranz abstehender weißer Haare umgeben wurde. Er trug immer einen weißen Laborkittel, der von giftigen Chemikalien und diversen explosiven Stoffen, die alle für seinen Unterricht unentbehrlich waren, gefleckt war. Er pflegte im Chemiesaal herumzurennen und dabei in seinen »Chemikerhänden« dampfende Glasgefäße mit seinem neuesten Hexengebräu zu halten. Es bestand häufig aus Stoffen, die sich nicht so gut vertragen, was auch der Grund dafür war, warum er sie zusammengekippt hatte. Mit Physik und Chemie war nämlich nicht zu spaßen, am allerwenigsten an einer Schule wie Norra Real.
    Genau wie die Moleküle, von denen er so gerne erzählte, bewegte er sich ständig im Chemiesaal hin und her, und je mehr das, was er in Händen hielt, dampfte und rauchte, desto

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