Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde
sie sich zutragen, nicht mehr Journalisten auffallen. Einigen fällt sie auf, das weiß ich, da ich mit ihnen spreche und schon recht früh erfahre, dass sie dieselben Schlüsse gezogen haben wie ich. Aber das sind nur wenige, und ihnen ist gemeinsam, dass sie sich bereits mit der Geijer-Affäre befasst haben, bevor Bratts Enthüllung erscheint.
Palmes Dementi wird bereits zwei Tage nach der Enthüllung am 20. November von Dagens Nyheter veröffentlicht. Ebbe Carlsson und Hans Dahlgren, ein weiterer von Palmes Getreuen aus der Regierungszeit, haben den Text verfasst. Hans Holmér hat ihnen die Fakten geliefert, und Palme hat unterschrieben.
Das Dementi steht auf dem Zeitungsaushang auf der ersten Seite zuoberst, füllt sechs Spalten und erhält bedeutend mehr und augenfälligeren Platz als die eigentliche Enthüllung zwei Tage zuvor. In den Augen jener, die nicht genug Informationen besitzen, um zwischen den Zeilen lesen zu können, beeinträchtigt dieses Dementi die Glaubwürdigkeit der Zeitung ungemein. Dagens Nyheter bittet Lennart Geijer vorbehaltlos um Entschuldigung und zahlt freiwillig ein Schmerzensgeld in Höhe von 50 000 Kronen. Vor dreißig Jahren war das fürchterlich viel Geld.
Dies ist keine gewöhnliche Abbitte. Man legt sich nicht nur auf den Rücken und bietet dem Gegner die Kehle, nein, dieser Köter verbeißt sich regelrecht in der eigenen Kehle, und zwar so fest, wie er nur kann. Und inzwischen habe selbst ich begriffen, the shit hits the fan .
48.
The shit hits the fan. Alle hacken auf mir herum
Montag, den 21. November 1977, drei Tage nachdem Peter Bratt seinen Darm in den Ventilator der Öffentlichkeit entleert hat, findet eine Debatte im Stockholmer Presseclub statt. Sehr viele Leute sind gekommen, das Thema versteht sich von selbst, der Hauptredner ebenfalls, es ist der Vorsitzende der Sozialdemokraten Olof Palme, inzwischen Mitglied des Reichstags. Der Sieger, der gerade die größte Tageszeitung des Landes zur bedingungslosen Kapitulation gezwungen hat.
Viele der damals Anwesenden sind der Ansicht, dass er, was seine Polemik betrifft, nie geschickter war als an diesem Abend im Presseclub vor fünfunddreißig Jahren. Bei solchen Anlässen lief Palme stets zur Hochform auf. Wenn er seine schlechtesten Seiten hervorkehren konnte. Wenn er seine schwarze Seele bejahen und alle, die sich ihm in den Weg stellten, verleumden konnte.
Palme wettert gegen ehrabschneidende Gerüchte und Rufmord, zieht über Kolporteure der Lüge her und endet damit, sie mit »Kloakenratten mit langen gelben Zähnen und nackten Schwänzen« zu vergleichen. Das Publikum jubelt, und Palme hat dem journalistischen Lynchmob in diesem Augenblick freie Hand gegeben, sich der Verursacher der Vorgänge anzunehmen. Nicht Dagens Nyheter oder Peter Bratts, sondern der inzwischen reichsbekannten »undichten Stelle«, die alle hinters Licht geführt hat. Dieses Mal eine leichte Beute, da alle im Publikum bereits wissen, wie er heißt. Höchste Zeit, die Hunde von der Leine zu lassen und die Treibjagd zu beginnen.
Anschließend gehen alle Journalisten in die Kneipe, um zu saufen, wie es der Brauch vorschreibt, wenn man sich im Presseclub getroffen hat, und im Lokal Operabaren erhält Jan Guillou dann auch den Auftrag von Aftonbladet herauszufinden, wer die undichte Stelle bei der » DN -Affäre«, wie man sie jetzt am vierten Tag nennt, ist. Jan Guillou, der zu diesem Zeitpunkt als Freelancer arbeitet, Chefredakteur Gunnar Fredriksson und Redaktionschef Staffan Heimerson sitzen an einem Tisch. Fredriksson und Heimerson geben ihm den Auftrag.
Ich weiß das meiste darüber, was sich an diesem Tisch an diesem Abend abspielte. Ich habe sowohl mit Guillou als auch mit Heimerson gesprochen. Ich habe mir von ihnen sogar die Stimmung beschreiben lassen, in die die meisten nach der Palme-Rede geraten waren. Nicht nur Dagens Nyheter war von der undichten Stelle hinters Licht geführt worden. Die ganze Journalistenschar war ihr auf den Leim gegangen, und jetzt galt es, die Ehre wiederherzustellen.
Man braucht kein Jäger zu sein, um zu begreifen, was jetzt geschehen wird. Was bereits begonnen hat, um genau zu sein. Als ich an diesem Abend zur Reichspolizeibehörde fahre, um einige notwendige Papiere zu holen, ist mein Büro ausgeräumt. Keine Papiere. Auch sonst nichts. Ein leerer Schreibtisch, ein paar leere Regale, ein Schreibtischstuhl. Die Lampe steht noch auf meinem Schreibtisch. Das ist alles. Sogar das Namensschild neben der
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