Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde
Socialdemokratiska Förening. Mein Vater habe meinen Beitritt veranlasst, als ich mit Sommerjobs auf der Baustelle begonnen hätte. Ich glaube nicht einmal, dass ich versuche, ironisch zu sein, als ich das sage. Mir ist einfach alles egal, und wahr ist es auch.
Sandberg wirkt zufrieden wie ein weißer Mann, der gerade mit einem anderen weißen Mann in einer im Übrigen schwarzen Welt gesprochen hat, und an seine letzte Bemerkung erinnere ich mich wörtlich. Denn ich schreibe sie auf, sobald ich aufgelegt habe.
»Geijer«, sagt Sandberg verächtlich. »Ich begreife nicht, was an dem so interessant sein soll. Der mit seinen ständigen Weibergeschichten seit seiner Zeit beim Beamtenbund. Das wissen doch alle.«
Sieh mal einer an, denke ich. Meinem Parteigenossen in der Engelbrekts Socialdemokratiska Förening muss das entgangen sein. Wenn man seinen Worten Glauben schenken möchte.
Am nächsten Tag ruft Guillou an. Genau wie versprochen, und da ich mir dieses Gespräch keinesfalls entgehen lassen will, habe ich den langen Spaziergang mit den Hunden bereits am Vormittag unternommen, um danach auch ganz sicher zu Hause zu sein.
In Guillous Stimme schwingt der Ernst des Augenblicks mit, so spricht man vermutlich zu dem, dessen Begräbnis unmittelbar bevorsteht. Er werde mir jetzt den Artikel vorlesen, der bereits am nächsten Tag im Aftonbladet erscheine.
»Ich höre«, antworte ich, und dass das Tonband funktioniert, das ich ans Telefon angeschlossen habe, habe ich überprüft, ehe ich den Hörer abgehoben habe.
Guillou räuspert sich und beginnt zu lesen. Er hat sich offenbar dafür entschieden, seinen Artikel mit dem letzten Gespräch zu beginnen, das Peter Bratt und ich am 17. November geführt haben, und sich zusammenzureimen, welche Quelle er für seine Beschreibung nutzte, ist keine allzu schwere analytische Aufgabe.
Außerdem spielt das kaum eine Rolle, da es hauptsächlich darum geht, wie schön ich in meiner »großen Sechs-Zimmer-Villa in Djursholm« wohne, und um zu dem Schluss zu gelangen, dass diese Betrachtung nichts damit zu tun hat, dass Guillou einmal Architekt werden wollte, muss man nicht Dozent an der Hochschule für Journalismus sein.
»Warte«, unterbreche ich ihn. »Sechs Zimmer. Das stimmt nicht. Ich glaube, in dem Kasten gibt es mindestens fünfzehn Zimmer. Selbst wenn man die im Dach nicht mitzählt.«
Guillou fällt es schwer, sein Erstaunen zu verbergen. Kein normales Interviewopfer also, das seinen eigenen Untergang absegnen soll. Wie ein Lamm, das dem Schlächter freiwillig seinen Kopf auf den Hackklotz legt. Darüber, dass meine Frau und ich das Haus zusammen mit ein paar guten Freunden gekauft haben, verliere ich kein Wort. Wieso soll ich ihm die Pointe vermasseln?
»Ich höre«, sage ich. Und meine Stimme klingt fast etwas frech.
Guillou beginnt von Neuem, und dieses Mal lasse ich ihn bis zum Schluss lesen, ohne neue Einwände vorzubringen. Überrascht bin ich nicht. Die Geschichte, die er erzählt, handelt davon, dass ich Peter Bratt und die Dagens Nyheter bewusst hinters Licht geführt habe, um Lennart Geijer eins auszuwischen.
»Und?«, sagt Guillou fragend.
»Ich habe alles gehört«, antworte ich. »Im Übrigen habe ich keinen Kommentar.«
Jan Guillou offenbar auch nicht, denn es vergeht fast ein Jahr, bis er sich wieder bei mir meldet.
Ich habe mit Gösta Sandberg nur ein einziges Mal in meinem Leben gesprochen. Nach meiner Unterhaltung mit Guillou beruft er eine Sitzung der Redaktionsleitung des Aftonbladet ein und erfüllt in allen Punkten das Versprechen, das er mir am Abend zuvor gegeben hat.
Ich habe in den Jahren, die seither verstrichen sind, oft an ihn gedacht. An »den alten Ehrenmann von der Gewerkschaft«, der plötzlich durchgriff und erklärte, dass es jetzt reicht. Warum, habe ich nie richtig verstanden. Deswegen bin ich zu dem Schluss gelangt, dass er einfach seiner Auffassung gemäß handelte. Sonderlich alt war er nicht, etwa fünfzig, dieses eine Mal, als er mich anrief, und die Frage nach seinem Motiv habe ich beiseitegelegt.
Vielleicht nicht mal so merkwürdig. Je schlechter es einem geht, desto mehr muss man an das Gute im Menschen glauben können, um zu überleben.
50.
Abflauender Wind, kippender Wind, umschlagender Wind
Guillou ruft nicht mehr an. Andere auch nicht. Plötzlich ruft eigentlich niemand mehr an. Schlecht geht es mir immer noch. Richtig lausig, wenn man es genau nimmt, aber da es mir kürzlich noch viel schlechter gegangen ist,
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