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Der Professor

Titel: Der Professor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Stunden. Es gibt sogar eine Fernsehserie, die danach benannt ist. Für manche Verbrechen ist das Zeitfenster noch kleiner, für andere ein wenig größer. In jedem Fall müssen wir – auch wenn wir noch nicht auf die Antworten hoffen können – schleunigst in Erfahrung bringen,
wo
wir nach den Antworten suchen müssen.« Terri seufzte. »Wir haben Jennifers Zeitfenster schon weit überschritten.«
    Adrian schien darüber nachzudenken. »Jennifer braucht mehr Zeit«, sagte er. »Ich hoffe, sie hat sie.«
    Terri merkte, dass sie den alten Mann nicht unsympathisch fand. Sie hatte den Eindruck, dass er es mit seinem Bemühen zu helfen ehrlich meinte. Normalerweise schafften es Zivilpersonen nur, den Strafverfolgungsbehörden im Weg zu stehen. Es gab zu viele Leute, die zu viele Krimis sahen und glaubten, sie verstünden was davon. Behinderung, keine Hilfe, dachte sie. Dies war Teil ihrer Ausbildung und ihrer Berufserfahrung. Der alte Mann neben ihr andererseits, der zwischen scharfer Beobachtungsgabe über beharrliche Forderungen bis zu zeitweiliger Geistesabwesenheit hin und her driftete, war anders als die meisten Wichtigtuer und selbsternannten Helfer, die sie gewohnt war. Sie hielt an seiner Adresse. »Haus-zu-Haus-Service«, sagte sie.
    »Danke«, sagte Adrian beim Aussteigen. »Vielleicht rufen Sie mich an, wenn Sie was Neues wissen …«
    »Professor Thomas, überlassen Sie die Polizeiarbeit mir. Falls es etwas gibt, womit Sie mir meiner Meinung nach helfen können, melde ich mich.«
    Sie hatte den Eindruck, dass der Mann niedergeschlagen war.
Jennifer ist verschwunden,
dachte sie,
und er gibt sich die Schuld daran
.
    Es bestand ein Unterschied zwischen der Polizei – für die selbst die schlimmsten Tragödien zum Alltagsgeschäft gehörten – und den Menschen, die das Gefühl hatten, durch ihre plötzliche Einbeziehung in ein Verbrechen seien sie irgendwie auserwählt. Das sprengte ihren normalen Horizont in einer Weise, dass es über die Faszination hinaus zur Besessenheit werden konnte. Für eine Polizistin wie Terri dagegen war es einfach normal.
    Adrian trat vom Wagen zurück und sah ihm hinterher.
    »Sie ist eine gute Polizistin«, sagte Brian. »Aber sie hat ihre Grenzen. Der superclevere, von Natur aus intuitive, quasi-intellektuelle Ermittler ist eine Fiktion der Krimiautoren. Polizisten sind in Wahrheit nüchterne Problemlöser.«
    Adrian trottete zur Haustür. »Warst du das eben im Haus?«, fragte er.
    »Was dachtest du denn?« Brian schien sich zu zieren, als rechnete er mit einer weiteren Frage. Adrian drehte sich zu seinem toten Bruder um. Es war Brian, der Anwalt, der mit seiner Seidenkrawatte spielte und an der Bügelfalte seines Zweitausend-Dollar-Anzugs zupfte. Brian sah auf. »Du hast was beobachtet.«
    »Aber Terri Collins hat gesagt …«
    »Ach, komm schon, Audie, hier ist es von Anfang an nicht darum gegangen, einen Schuldigen zu finden. Zumindest noch nicht. Es geht um die Frage, wo wir nach Jennifer suchen können. Die einzige Möglichkeit, das zu tun, ist, sich eine Vorstellung davon zu machen, wer sie gekidnappt hat. Und warum.«
    Adrian nickte. »Ja.«
    »Und so denkt nun mal eine Kripobeamtin in einem idyllischen Universitätsstädtchen nicht, auch wenn sie einen ziemlich kompetenten Eindruck macht.«
    Das leuchtete Adrian ein. Es war kühl. Er fragte sich, wo die erste Frühlingswärme geblieben war. Die Luft schien trügerisch, als verspräche sie eines und brächte etwas anderes. Unzuverlässige Jahreszeit, dachte er.
    »Audie!«
    Er drehte sich zu Brian um. »Es wird schwerer«, sagte er. »Es ist, als ob mit jedem Tag und jeder Stunde wieder ein Stück von mir dahinschwindet.«
    »Deshalb sind wir ja da.«
    »Ich glaube, ich bin zu krank.«
    »Jetzt mach mal einen Punkt«, lachte Brian, »ich bin tot und lass mich davon nicht aufhalten.«
    Adrian schmunzelte.
    »Was hast du im Haus von dem Mistkerl gesehen?«
    »Eine alte Frau, die leidet …« Adrian hielt inne. Was er
gesehen
hatte? »Ich habe einen Mann gesehen, der so tat, als sei er gefügig, während er in Wahrheit wahrscheinlich etwas verbergen will.«
    Brian grinste und klatschte seinem Bruder auf den Rücken. »Was sagt uns das?«
    »Das sagt uns, dass ich etwas übersehen habe.«
    Brian legte die Hand an die Stirn, genau an die Stelle, an die er wohl den Lauf der Waffe gesetzt hatte, die Adrian drinnen auf seiner Kommode hatte. Er machte eine Schießbewegung, ohne darin wie Adrian eine bittere Ironie zu

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