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Der Professor

Titel: Der Professor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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erinnern«, sagte sie. »Und Mark hat nicht viele Freunde.«
    »Wir hatten schon das Vergnügen.«
    »Wann?«
    »Gestern. Sie erinnern sich.«
    »Nein …«
    »Und Sie haben gesagt, ich soll wiederkommen, weil wir uns noch so viel zu erzählen hätten.«
    »Das hab ich gesagt …?«
    »Wir haben über so vieles gesprochen. Zum Beispiel Ihre Strickarbeit. Sie wollten mir zeigen, was Sie gestrickt haben.«
    »Ich stricke gerne. Ich stricke gerne Fausthandschuhe. Die schenke ich den Nachbarskindern.«
    »Ich wette, Mark bringt sie ihnen.«
    »Ja, genau. Er ist ein guter Junge.«
    »Selbstverständlich ist er das. Er ist der beste Junge, den man sich denken kann. Es gefällt ihm, die Kinder glücklich zu machen.«
    »Mit Fausthandschuhen im Winter. Aber jetzt …«
    »Jetzt ist Frühling. Keine Fausthandschuhe mehr. Nicht bis zum nächsten Herbst.«
    »Ich hab schon wieder vergessen – woher kennen Sie Mark?«
    »Ich wünschte, Sie würden mir Fausthandschuhe machen.«
    »Ja. Ich mach Fausthandschuhe für die Kinder.«
    »Und Mark bringt sie ihnen dann. Was für ein guter Junge.«
    »Ja, er ist ein guter Junge. Ich hab Ihren Namen vergessen.«
    »Und er sieht mit Ihnen fern.«
    »Wir haben unsere Sendungen. Mark mag besondere Sendungen. Zusammen sehen wir all die lustigen Sendungen, die frühen, und wir lachen, weil sie sich in all diesen Serien immer in solche Schwierigkeiten bringen. Und dann muss ich ins Bett, weil Mark nämlich sagt, dass seine Sendungen später kommen.«
    »Dann sieht er also in diesem schönen, großen Apparat zuerst Ihre Sendungen mit Ihnen und danach seine.«
    »Den hat er für uns gekauft. Es ist, als hätte man echte Menschen zu Besuch. Uns kommen nicht viele Freunde besuchen.«
    »Aber ich bin Ihr Freund, und ich bin gekommen.«
    »Ja. Sie sehen alt aus, so wie ich.«
    »Bin ich auch. Aber jetzt sind wir Freunde, oder?«
    »Ja, glaub schon.«
    »Was sind das für Sendungen, die er sieht?«
    »Er lässt mich ja nicht zugucken.«
    »Aber manchmal können Sie nicht schlafen, stimmt’s? Und dann kommen Sie mal hier vorbei.«
    Sie grinste. »Seine Sendungen sind …« Sie lachte laut. »Ich sollte das nicht sagen.«
    Sie sah ihn mit einem kindlich verschämten Ausdruck an. Er wusste, dass er etwas beobachtet hatte, und seine Gedanken rasten, während er versuchte, sich einen Reim darauf zu machen.
    Er spürte, wie ihn seine Frau, sein Sohn und sein Bruder umringten, wusste, dass sie da waren und auch wieder nicht, um ihm klarzumachen, worum es ging, und seinem Verstand auf die Sprünge zu helfen.
    Er sah die Frau an.
Zwei verwirrte Menschen,
dachte er.
Ich kann sie verstehen, aber sie mich nicht.
    Es war fast wie eine Fremdsprache, und der Gedanke brachte ihn auf Tommy, der in einem so fremden Land gestorben war, dass er es sich allenfalls anhand von Bildern vergegenwärtigen konnte, die über seinen inneren Bildschirm flackerten. Der Gedanke führte wieder zu dem Flachbildfernseher und einer Bemerkung der Frau zurück, und zu etwas, das sein Sohn ihm gesagt hatte, nur dass es in Wahrheit nicht sein Sohn, sondern der Geist seines Sohnes gewesen war.
Stricken,
dachte er.
Sie strickt.
    »Sie haben bestimmt auch einen Computer«, sagte er. »Bewahren Sie den bei Ihren Stricksachen auf?«
    Die Frau lächelte. »Natürlich.« Sie ging hinüber und nahm den Korb mit dem Strickgarn und den Stoffmustern, der genau da, wo ihn Adrian vom Vorabend in Erinnerung hatte, neben dem Sessel auf dem Boden stand. Sie stellte ihn vor Adrian ab. Unter einem Strang rosaroter Wolle kam ein kleiner Apple-Laptop mitsamt Kabeln zum Vorschein.
    Er blickte zum Bildschirm hinüber.
Wenn er seine Mutter ins Bett geschickt hat, verbindet er den Laptop mit dem großen Apparat.
»Den bring ich Mark«, sagte er. »Mark braucht ihn bei der Arbeit.«
    »Er lässt ihn hier«, sagte sie. »Er lässt ihn immer hier.«
    »Ja, aber die Polizistin, die gestern gekommen ist, wird ihn brauchen, er sollte ihn ihr deshalb nach der Arbeit bringen. Das wollte er tun.«
    Adrian wusste, dass er mit diesem Haufen Lügen durchkommen würde, auch wenn die alte Frau zögerte. Es war pervers, räumte er ein, aber ein Kinderspiel.
    Er nahm den Laptop und ging zur Tür.
Passwort?
Mark Wolfe hatte auf ihn nicht gerade den Eindruck gemacht, ein Dummkopf zu sein. Und er erinnerte sich an den verächtlichen Ausdruck im Gesicht von Detective Collins, als sie den Computer entgegennahm, den der Delinquent ihr so bereitwillig ausgehändigt

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