Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Professor

Titel: Der Professor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
Vom Netzwerk:
die Frau die Lippen ganz nah an ihre Stirn hielt, so dass ihr warmer Atem Jennifer traf. »Du gibst keinen Laut von dir. Du darfst nicht einmal schwer atmen. Du bleibst genau da, wo du bist. Keine Bewegung. Wechsle nicht einmal die Stellung. Keinerlei Geräusche, bis ich wiederkomme. Verstehst du, was ich dir sage?«
    Jennifer nickte. Sie hätte gerne nach dem Schuss gefragt, traute sich aber nicht.
    »Ich höre, Nummer 4?«
    »Ich habe verstanden.«
    »Was hast du verstanden?«
    »Keine Geräusche. Nichts. Einfach nur hierbleiben.«
    »Gut.« Die Frau schwieg. Jennifer horchte auf ihren Atem. Sie war nicht sicher, ob ihr eigenes Herz so pochte, dass es im Raum widerhallte, oder das der Frau.
    Plötzlich spürte Jennifer, wie sie am Gesicht gepackt wurde. Sie schnappte nach Luft und erstarrte, als die Frau ihr die Fingernägel in die Wangen grub und immer fester drückte. Jennifer zitterte, kämpfte gegen den Drang an, die Hand, die sie packte, wegzuzerren, und versuchte sich gegen den unerwarteten Schmerz zu wappnen. »Wenn du einen einzigen Muckser von dir gibst, bist du tot«, sagte die Frau.
    Jennifer bebte heftig und bemühte sich, etwas zu sagen, brachte aber nichts heraus. Das Schütteln, das ihren ganzen Körper erfasste, musste als Antwort genügen. Der Griff lockerte sich; Jennifer verharrte in derselben Stellung und wagte nicht, sich zu bewegen.
    Das Nächste, was sie fühlte, war ihr unbekannt, aber heftig. Es war eine scharfe Spitze. Es fing an ihrer Kehle an, wanderte an ihr hinunter, indem es vom Hals, über die Brust, den Bauch und den Schritt in stetigen, gleitenden Bewegungen und kleinen nadelartigen Stichen in die Haut ihren Körper nachzeichnete.
Ein Messer!,
erkannte Jennifer.
    »Und ich werde dir einen schrecklichen Tod bereiten, Nummer 4. Ist das klar?«
    Jennifer nickte wieder, und das Messer schabte ein wenig tiefer ihren Bauch entlang. »Ja, ja, verstanden«, wisperte sie und merkte, wie sich die Frau zurückzog.
    Das raschelnde Geräusch entfernte sich. Jennifer horchte auf das Schließen der Tür, doch es blieb aus. Sie verharrte reglos auf dem Bett, hielt den Bären in den Armen und versuchte, sich darüber klarzuwerden, was mit ihr geschah. Sie strengte die Ohren an, und als sie gerade den Gedanken formte, dass etwas nicht stimmte, fühlte sie, wie sie eine Hand am Hals packte und zudrückte.
    Eine gewaltige Kraft presste ihr das letzte bisschen Luft ab. Ihr war, als würde sie unter einer riesigen Betonplatte zerquetscht. Vor Angst und Schock legte sich hinter die Augenbinde ein Film so rot wie Blut. Sie trat um sich, traf aber nichts als Luft. Ohne nachzudenken, hob sie die Hände, erstarrte aber, als sie die Stimme des Mannes hörte.
    »Ich kann genauso schlimm sein, Nummer 4. Vielleicht sogar schlimmer.«
    Sie bebte am ganzen Körper. Zuerst glaubte sie, in der Dunkelheit unter der Binde ohnmächtig zu werden, und dann fragte sie sich, ob sie, während sie nur noch einen Rest Luft bekam, nicht schon ohnmächtig geworden war.
    »Vergiss das nicht«, flüsterte der Mann.
    Sie schauderte nicht nur wegen der Botschaft, sondern auch wegen der zischenden Stimme.
    »Denk dran, du bist nie allein.«
    Plötzlich löste sich die Hand des Mannes. Jennifer hustete und versuchte mit aller Macht, die Lunge zu füllen. In ihrem Kopf drehte sich alles. Sie hatte nicht mitbekommen, dass der Mann der Frau ins Zimmer gefolgt war. Jetzt passte gar nichts mehr zusammen: Ein Streit, ein Schuss – das hatte bei ihr die Vorstellung von einem Streit heraufbeschworen, doch dass nun beide zusammen in ihrer Zelle erschienen und gemeinsam agierten, stürzte sie in einen Strudel der Verwirrung. Ihr wurde so schwindelig, dass sie sich an dem nächstbesten Gegenstand festklammerte, der vielleicht ihren Sturz in den Abgrund verhindern konnte.
    »Sei still, Nummer 4. Egal, was du hörst. Was du spürst. Was deiner Meinung nach draußen passiert. Sei still. Wenn du einen Muckser machst, ist es das Letzte, was du in dieser Welt tust, außer dass du unvorstellbare Schmerzen aushalten wirst.«
    Jennifer kniff die Augen fest zu. Sie hatte wohl stumm genickt. Sie glaubte nicht, dass sie laut gesprochen hatte, doch sie hörte, wie die Tür zuging. Dem Mann war es offenbar gelungen, den Raum zu durchqueren, ohne dass sie es mitbekommen hatte. Das war so schlimm wie alle die Drohungen, die sie ausgesprochen hatten.
    Sie blieb in der Dunkelheit, als steckte sie in einem Eiswürfel. Ein Teil von ihr wollte sich bewegen, ein

Weitere Kostenlose Bücher