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Der Professor

Titel: Der Professor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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herumgefuchtelt haben?«
    Sie konnten warten. Wie so viele ihrer Kommilitonen waren sie mit Videospielen aufgewachsen und daran gewöhnt, Stunden vor einem Computerbildschirm mit einem interaktiven Drama wie
Grand Theft Auto
oder
Doom
zuzubringen.
    »Wir müssen sie beobachten. Mal sehen, ob sie noch irgendwas hört.«
    Die beiden Zimmergenossen waren sich nicht bewusst, dass sie die Bewegungen des Mädchens imitierten und wie sie den Kopf in die Richtung der Geräusche wendeten. Irgendwo auf demselben Stock des Verbindungshauses machte jemand laut stampfenden Christian Rock an, so dass die beiden Zimmergenossen unisono fluchten. Es war überaus wichtig zu hören, was in der kleinen Welt von Nummer 4 passierte.
    »Sie wird sich gleich ins Höschen machen«, sagte der eine. »Die geht bestimmt gleich aufs Klo.«
    »Nee, ich tippe auf den Bären. Sie redet wieder mit dem Teddy.«
    Auf dem Bildschirm wechselte die Kameraeinstellung zu einer Nahaufnahme des Gesichts. Sie sahen die Furcht und Anspannung daran, wie sie die Lippen zusammenpresste, auch mit verbundenen Augen. Jeder der Studenten stellte sich vor, dass Nummer 4 vor Angst eine Gänsehaut hatte. Jeder von ihnen hätte am liebsten die Hand ausgestreckt und über die kleinen Härchen an ihren Armen gestrichen. Es war, als wären sie unmittelbar bei ihr. Ihre Bude schien genauso heiß und stickig wie die Zelle von Nummer 4 zu sein. Einer der Jungen berührte sie auf dem Bildschirm.
    »Ich glaube, sie ist am Arsch«, sagte der eine.
    »Wie kommst du darauf?«
    »Falls der Mann und die Frau sich wirklich streiten, dann vielleicht, weil sie sich in Bezug auf die Show nicht einig sind. Vielleicht geht es um die Vergewaltigung. Vielleicht ist die Frau eifersüchtig auf den Mann, der es mit Nummer 4 treiben will …«
    Sie schauten beide auf die Uhr, die in einer Ecke des Bildschirms tickte.
    »Hast du unsere Wette durchgegeben?«, fragte der Zimmergenosse unvermittelt.
    »Ja. Zweimal. Das erste Mal lagen wir viel zu früh. Wir haben verloren. Deine Schuld. Nur weil du keine Zeit verschwenden würdest, wenn Nummer 4 hier wäre …« Er schwieg einen Moment, und beide Verbindungsstudenten grinsten. »Jedenfalls konnte man sich ja denken, dass sie es in die Länge ziehen würden. Zeugt nur von gutem Geschäftssinn. Jetzt haben wir uns, glaube ich, für irgendwann morgen eingeloggt oder den Tag danach.«
    »Zeig mal.«
    Der erste Student tippte ein paar Tasten, und das Bild von Nummer 4 in ihrem Zimmer schrumpfte augenblicklich zum Kleinformat. Quer über den restlichen Bildschirm stand in fetter Boldoni-Kursivschrift: »Willkommen, TITTSERATOPS. Deine derzeitige Wette ist STUNDE 57. Es verbleiben noch 25 Stunden, bevor deine Wette zum Einsatz kommt. Du teilst deine Wette mit 1099 anderen Subscribern. Der gesamte Spieleinsatz steht derzeit bei über € 500 000. Weitere Wetten können noch angenommen werden. Noch einmal wetten?« Unter dieser Nachricht waren zwei Kästchen eingeblendet, JA und NEIN.
    Der Student bewegte den Cursor zum Ja-Kästchen und drehte sich zu seinem Kommilitonen um, doch der schüttelte den Kopf. »Nee. Ich glaub, meine Kreditkarte ist kurz vor dem Anschlag. Hab keine Lust, mir die Fragen von meinen Leuten anzuhören. Ich hab ihnen gesagt, das hier sei eine Offshore-Poker-Website, und sie haben mir einen endlosen, öden Vortrag gehalten und mir gesagt, ich sollte mit dem Wetten aufhören.«
    »Wahrscheinlich kommen sie dir als Nächstes mit ’nem Zwölf-Schritte-Programm und wollen wissen, ob du sonntags in die Kirche gehst.«
    Er zuckte die Achseln, bewegte den Cursor auf NEIN und klickte. Augenblicklich füllte Nummer 4 wieder ihren Bildschirm.
    »Weißt du, was? Auf einem LED -Flachbildschirm wär das Ganze um einiges cooler.«
    »Kannst du einen drauf lassen. Ruf deine Leute an.«
    »Keine Chance. Nach meinen Noten letztes Semester sind die nicht in Spendierlaune.«
    »Und?«, sagte der erste Student, während er sich zurücklehnte. »Wie geht es weiter?« Er sah auf die Uhr. »Ich hab in einer halben Stunde dieses verdammte Seminar über Nutzen und Missbrauch des ersten Zusatzartikels. Ich hasse es, was zu verpassen – ich meine nicht die Vorlesung, damit wir uns nicht missverstehen.«
    »Du kannst jederzeit gehen und das, was du verpasst hast, im ›Nachhol‹-Fenster sehen.«
    Der Student tippte wieder ein paar Tasten und verschob die Echtzeit-Aufnahme von Nummer 4 erneut in eine Ecke. Wie zuvor erschien ein Menü in Boldoni-Kursiv. Es

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