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Der Professor

Titel: Der Professor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Wolfe oder er selber imstande war.
    Wolfe wollte Geld. Doch Wolfe wusste, dass Adrian einfach aus seinem Haus spazieren konnte. Nach seinem Eindruck herrschte
     zwischen ihnen eine perfekte Pattsituation. Also konnte das Spiel beginnen.
    Er hatte keine Ahnung, ob er so viel Geld auf einem Konto liegen hatte und ob er Wolfe überhaupt etwas zahlen würde. Er bezweifelte es. Er spürte Brians Hand auf der Schulter und hörte die Stimme seines Bruders:
»Das weiß er auch, Audie. Der Mann ist nicht blöd. Das heißt, er hat noch was im Ärmel. Du musst darauf gefasst sein, wenn er es rauszieht.«
    Wolfe übersah Adrians langsames Nicken.
    »Ich bin kein böser Mensch«, sagte Wolfe. »Egal, was diese Polizisten sagen.«
    Adrian antwortete nicht. Er wünschte sich, dass Brian ihm schnell eine schlagfertige Antwort vorsagte, doch er schwieg. Adrian hätte gerne gewusst, ob Brian ebenso erstaunt war über die Äußerung des Sexualstraftäters wie er selbst.
    »Ich bin hier nicht der Böse«, sagte Wolfe fast im selben Wortlaut wie zuvor und in einem gleichmütigen Ton, als wäre ihm im Grunde egal, was Adrian dachte.
    »Habe ich auch nie behauptet«, antwortete Adrian. Das war gelogen, und er kam sich albern vor, als er es aussprach.
    Die Computertasten klangen wie ein Trommelwirbel zum Auftakt eines symphonischen Crescendos. »Ist sie das?«, platzte Wolfe auf einmal heraus.
     
    Der Nachmittag war schon fortgeschritten; Terri saß in ihrem Auto vor dem Haus der Riggins und versuchte, allen Mut dafür zusammenzukratzen, bis zur Haustür zu gehen und die schlechte Nachricht zu überbringen. An einem Baumstamm in der Nähe hatte jemand – vermutlich Scott – einen eigenhändigen Aushang angetackert, mit einem Bild von Jennifer und dem Wort VERMISST in Großbuchstaben. Es folgte ein Abschnitt ZULETZT GESEHEN AM sowie SACHDIENLICHE HINWEISE BITTE UNTER .
    Er ähnelte den Zetteln, die Leute in Vorstadtvierteln verteilten, weil sie einen Hund oder eine Katze vermissten. Nur dass diese Tiere wahrscheinlich längst von einem Auto überfahren oder sogar einem Kojoten aus den nahe gelegenen Wäldern zum Opfer gefallen waren, die kleine Hunde gerne in einen Hinterhalt lockten.
    Sie war ein wenig überrascht, dass er bis jetzt noch nicht die Fernsehsender angerufen hatte. Leute wie Scott neigten von Natur aus dazu, aus einer Suchaktion einen spektakulären Nebenschauplatz zu machen. Mary würde mit verweintem Gesicht vor den Scheinwerfern und Kameras stehen und die Unbekannten händeringend anflehen, die kleine Jennifer laufenzulassen. Das war, wie Terri sehr wohl wusste, so herzergreifend wie nutzlos.
    Terri raffte ein paar Polizeidokumente sowie Kopien der innerbehördlichen Vermisstenmeldung zusammen. Es war eine Sammlung, die ihnen zumindest den Eindruck vermitteln musste, dass sie sich intensiv mit dem Fall beschäftigt hatte, auch wenn es in Wahrheit nur eine Enttäuschung nach der anderen bezeugte. Alles, was mit dem Überwachungsvideo am Busbahnhof zu tun hatte oder sich aus ihren Gesprächen mit Adrian Thomas ergab, hatte sie im Büro gelassen.
    Sie atmete langsam aus und richtete den Blick erneut auf das Haus von Mary Riggins. Sie fragte sich, was sie selber unternähme, würde eins ihrer Kinder vermisst. Sie würde sich unweigerlich bei dem Wunsch ertappen, von allen Erinnerungen, die sie zu Hause auf Schritt und Tritt verfolgten, zu entfliehen, würde andererseits genau da ausharren, weil sie die Hoffnung nicht aufgeben könnte, das vermisste Kind würde wie durch ein Wunder zur Tür hereinspazieren.
    Vor eine unmögliche Wahl gestellt,
dachte sie.
So viel Schmerz und Ungewissheit.
    Sie wünschte sich, sie wäre besser in solchen Dingen.
    Als sie ausstieg und sich auf dem Bürgersteig dem Haus der Riggins näherte, schlug ihr Isolation entgegen. Bei den anderen Häusern waren Menschen draußen, um das letzte Winterlaub zusammenzuharken oder in den Gärten, in denen sich endlich der Frühling regte, Stauden zu pflanzen. Die Vorstadtbewohner brachten Elektrogeräte und Rasenmäher zum Einsatz, um ihren Gärten die Pflege angedeihen zu lassen, die sie an den zurückliegenden kurzen, dunklen Tagen aufgeschoben hatten.
    Am Riggins-Domizil dagegen regte sich nichts. Kein Lärm, keine Bewegung. Es schien, als hätte es zu sehr unter den Winterstürmen und -unwettern gelitten, um sich von den Schäden zu erholen.
    Sie klopfte an und hörte Schritte, bevor jemand öffnete. Mary Riggins stand in der Tür. Kein Gruß. Kein

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