Der Professor
zum Rand mit Benzin. Gräber ausheben, Spuren tilgen, dachte er. Tickets kaufen. Er wusste, dass er die Zeiten und Entfernungen zwischen Flügen und Autokilometern abstimmen musste.
Serie Nummer 4 abzuwickeln war so schwierig, wie sie zu planen. Das Timing war knifflig. Alles, was er aufgebaut hatte, musste auseinandergenommen und aus dem Weg geschafft werden. Eine Menge Arbeit, dachte er, und gemeinsame Anstrengungen. Der Tag hatte leider nur vierundzwanzig Stunden.
Auf der Rückfahrt hielt Michael sich sklavisch an die Geschwindigkeitsbegrenzungen. Als er in die Einfahrt abbog, konnte er sich nicht vorstellen, wie der Hof einmal ausgesehen hatte, als er noch ein landwirtschaftlicher Betrieb war. Er fragte sich, ob es in dem Haus wohl spuken würde, nachdem sie es verlassen hatten. Das Anwesen war perfekt für ein reiches Pärchen aus der Großstadt, das nach einer abgeschiedenen Bleibe fürs Wochenende suchte – halbwegs gezähmte Kulturlandschaft, das richtige Ambiente, um Gäste zu empfangen und Blu-Ray-Discs zu sehen, ohne zu ahnen, was für ein echtes Drama an diesem Ort inszeniert worden war. Das fade Schickimickipaar hätte nicht den leisesten Schimmer davon, welche Wahrheit dieses Gemäuer gesehen hatte. Er musste lachen: Geister würden sie vermutlich enttäuschen.
Er hielt, nicht ohne zu wenden, so dass der Wagen in Richtung Einfahrt stand, in der Nähe der Haustür. Er ließ die Schlüssel im Zündschloss stecken. Er mochte den Truck und würde sich nur ungern davon trennen. Er dachte nicht daran, was er mit Nummer 4 tun musste. Wie der Truck war sie jetzt eine Requisite, die bald ihren Zweck erfüllt hatte. Einen Moment lang war er nicht ganz bei der Sache. Ihm fiel doch tatsächlich nicht der richtige Name des Mädchens ein.
Janis, Janet, Janna – nein, Jennifer.
Er lächelte.
Jennifer. Leb wohl, Jennifer.
Linda schaukelte in ihrem exklusiven Schreibtischsessel. Auf dem Monitor beobachtete sie Nummer 4: Sie kauerte auf dem Bett und zitterte nur unentwegt vor Angst, was Linda nicht anders erwartet hatte. Das plötzliche Klopfen an der Tür, gefolgt vom Heavy-Metal-Rock, hatte Nummer 4 in noch größere Verwirrung gestürzt, falls das überhaupt möglich war. Die Persönlichkeit, die Energie und der entsprechende Kitzel, die Nummer 4 vermittelt hatte, schwanden vor den Augen des Betrachters. Es war einfach nicht mehr viel von ihr übrig – und Linda spürte, dass die Kundschaft drauf und dran war, das Interesse zu verlieren.
Sie war sich nicht sicher, ob es eine so gute Idee gewesen war, diese beiden Geräuscheinlagen einzuspielen. Die Subscriber zogen es normalerweise vor, das schwere Atmen von Nummer 4 zu hören, das ihnen vermutlich wie Musik in den Ohren klang. Andererseits wurden sie alle ein bisschen lebendig, wenn sie hier und da einen desorientierenden Sound-Effekt einsetzten. Das löste, nicht anders als bei Nummer 4, Phantasien aus. Linda nahm sich für die Zukunft vor, die Bandbreite der zusätzlichen Geräuschkulisse zu erweitern. Spielplätze, Schulhöfe und weinende Babys waren gut, Polizeisirenen ausgezeichnet, doch sie mussten ihr Repertoire erweitern. Nummer 5 musste einem unablässigen Wechsel der verschiedensten vorgetäuschten Welten ausgesetzt werden.
Während sich Linda wieder Michaels Entwurf für die letzten Stunden von Nummer 4 zuwandte, kam sie immer mehr zu der Überzeugung, dass sie mit jeder neuen Serie dazulernten. Sie wurden bei dem, was sie machten, immer besser, doch Michaels Vorstellung vom Ausgang fand sie noch nicht befriedigend. Es fehlte das richtige Maß an Leidenschaft.
Schlechte Erinnerungen
, dachte Linda.
Nummer
4
verdient einen besseren Abgang
.
Nummer 1 war unbeabsichtigt gestorben. Der Strick, mit dem sie gefesselt war, hatte sich verknotet und sie erdrosselt, als sie inmitten eines Albtraums vom Bett fiel. Michael und sie hatten nicht genug auf sie geachtet, und so hatte die erste Serie ein vorzeitiges Ende gefunden. Ihr Tod hatte dazu geführt, dass sie von da an sämtliche Aktivitäten peinlich genau überwachten. Doch entgegen ihren Plänen war Nummer 2 hinter den Kulissen gestorben. Ihr ursprüngliches Szenario hatte vorgesehen, Vergewaltigung und Mord nach Art des Snuff-Genres miteinander zu koppeln – doch es war in einen heftigen Kampf übergegangen, und Linda hatte sich gezwungen gesehen, die Übertragung abzubrechen und Michael mit dem Messer beizuspringen. Es war schludrig und grotesk und ihrer Professionalität nicht würdig
Weitere Kostenlose Bücher