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Der Professor

Titel: Der Professor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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die sie von der Hauptstraße abschotteten und teilweise einen Tunnel bildeten. Das nächstgelegene Haus war ungefähr anderthalb Kilometer entfernt und durch das Unterholz und die Zweige kaum zu sehen.
    Wie so viele Häuser, die in Neuengland verfallen, wirkte das Anwesen zugleich altmodisch idyllisch und heruntergekommen. Das machte unter anderem den ästhetischen Reiz des Ganzen aus, dachte Linda; inmitten des Alters und Verfalls hatten sie eine ultramoderne Welt erschaffen. Die Umgebung war eine perfekte Tarnung für das, was sie machten. »Hör mal, ich will nicht, dass Nummer 4 hört, wenn du den Motor anwirfst. Das Ding macht einen Höllenlärm. Du weißt schon, ratteratat, kabum, klicketiklick und brumm. Also zähl bitte bis neunzig, bevor du startest. Das lässt mir genug Zeit, um etwas einzuspielen, das sie ablenkt.«
    Michael hatte die Erfahrung gemacht, dass Linda oft kleine, aber bedeutsame Probleme voraussah. »In Ordnung«, sagte er. »Ich kann nicht glauben, dass du meinen Truck bemäkelst, er ist immer absolut zuverlässig gewesen …« Er machte nur Witze, und sie lächelten wie jedes Liebespaar, das sich neckt. »Okay, neunzig Sekunden, ab jetzt …« Sie fingen beide zu zählen an, nur dass Michael von neunzig rückwärtsging und Linda mit eins anfing. Dabei kicherten sie wie Kinder in der ersten Klasse.
    »Noch mal«, sagte er, »aber von neunzig
zurück
 …«
    Sie schüttelte den Kopf und warf das Haar in die Brise. Dann machte sie schwungvoll kehrt und zählte auf dem Weg zum Haus laut mit. Michael rannte über den feuchten, lehmigen Boden zu dem alten Truck und zählte still im Takt seiner Schritte mit. Sie hatten wieder Spaß miteinander. Sie sahen das Ende von Serie Nummer 4 kommen, und sie waren beide erleichtert und aufgekratzt.
    Linda zählte immer noch laut, als sie sich hinter den Hauptcomputer setzte und einige Befehle eingab. Zuerst spielte sie das Geräusch von lautem Klopfen an einer Tür ein – nichts weiter als das Donnern eines erzürnten Nachbarn, das sie vor Jahren einmal aufgenommen hatten –, woraufhin Nummer 4 sich auf einmal im Bett herumdrehte. Augenblicklich mixte sie die dröhnenden Eröffnungsakkorde von Led Zeppelins »Communication Breakdown« darunter. Nummer 4 hielt sich die Ohren zu, was mit den Handschellen und Ketten, die jetzt ihre Freiheit beschränkten, schwierig, aber so eben möglich war.
     
    Michael eilte durch den Baumarkt und packte viele derselben Materialien in seinen großen orangefarbenen Einkaufswagen, die er schon benutzt hatte, um den gestohlenen Transporter zu verbrennen. Er verließ nur ungern das Bauernhaus und sah es nicht gern, wenn Linda mit Nummer 4 ganz alleine war. Nicht dass er fürchtete, es könnte etwas passieren oder sich ein Problem ergeben, mit dem Linda nicht fertig würde – es hatte wohl eher damit zu tun, dass Serie Nummer 4 ihnen beiden gehörte, und so behagte es ihm nicht, auf dem langen Weg irgendetwas zu verpassen.
    Wie eine Reihe anderer Heimwerker oder Bauarbeiter, die den Laden zusammen mit ihm verließen, warf er seine Einkäufe auf die Ladefläche des Trucks. Er war sich dessen bewusst, dass die Baumarktkette neben den Türen, in den Gängen und auf dem Parkplatz Überwachungskameras installiert hatte, darum zog er sich die Kappe tief herab und drückte das Kinn an die Brust. Außerdem hatte er den Hemdkragen hochgeschlagen. Er wollte nicht, dass irgendeines der Werkzeuge und Hilfsmittel zu diesem Laden zurückverfolgt werden konnte, und er wollte auch nicht, dass irgendein Cop sich das Video ansah und vielleicht den Truck identifizierte.
    Sie mussten alle Spuren hinter sich verwischen. Es gehörte zu seinem täglichen Kampf, auch die geringsten Kleinigkeiten zu erkennen, über die sich eine Verbindung ergeben könnte. Haare an einem Kamm? Das lieferte DNA . Fingerabdrücke auf einer glatten Tischplatte? Er machte sich Sorgen, dass irgendein Cop seine Abdrücke mit dem Haftbericht aus seinen Teenagertagen vergleichen könnte. Eine Verkaufsquittung aus einem führenden Fotogeschäft in New York? Er bezahlte grundsätzlich in bar, egal, wie hoch der Preis war. Die Festplatten aus den Computern? Bei ihrer Entsorgung musste er besondere Vorsicht walten lassen.
Harte Arbeit,
dachte er,
um sicherzustellen, dass absolut nichts zurückbleibt, wenn man verschwindet
.
    Michael hielt an einer Selbstbedienungstankstelle und tankte nicht nur seinen Truck voll, sondern füllte auch ein halbes Dutzend Plastikkanister bis

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