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Der Professor

Titel: Der Professor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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positiv ausfielen. Mit einem Zuruf in einem überfüllten Raum fing es an:
»Hey, Baby, ich spendier dir ’n Drink …«
Die Musik hämmerte, und in dem dichten Gedränge merkte das Mädchen nicht, dass ihr Drink, den sie aus dem Plastikbecher schlürfte, ein wenig seltsam schmeckte. Ein Teil Wodka, zwei Teile Tonic, eine Prise der Droge, die sie beim Date gefügig machte.
    Terri hasste es, wenn die Sexualtäter ungeschoren davonkamen, weil die ausgenüchterten Mädchen und ihre Eltern aus Scham ihre sorgsam vorbereiteten Strafanzeigen wieder zurückzogen. Sie wusste, dass die darin verwickelten Jungen sich ihrer Eroberungen rühmen würden, wenn sie erst in ihre Wall-Street-Karriere starteten oder ins Medizinstudium wechselten oder sonst eine prestigeträchtige Laufbahn einschlugen. Als Polizistin sah sie es als ihre Aufgabe an, dafür zu sorgen, dass dieser Aufstieg nicht gelang, ohne dass die Täter wenigstens gehörig ins Schwitzen kamen und ein paar Narben zurückbehielten.
    Terri ging zum Automaten und holte sich den vierten Kaffee einer langen Nacht, die nahtlos in einen langen Tag überging. Sie nippte an dem heißen Becher und genoss den bitteren Geschmack auf der Zunge. Terri kannte die Ausreißerstatistik nur allzu gut. Sie rief sich ins Gedächtnis, dass sie auch mit den unabweisbaren Motiven bestens vertraut war.
Du musstest selber einmal türmen. Wieso glaubst du, das hier sei was anderes?
    Sie beantwortete sich die Frage selbst.
Ich war nicht sechzehn. Ich war erwachsen und hatte zwei kleine Kinder.
Fast
erwachsen, traf es wohl besser
.
    Ein gewalttätiger Ehemann ist nicht dasselbe. Trotzdem blieb dir nichts anderes übrig, als abzuhauen, stimmt’s? Du musstest weg. Genau wie Jennifer.
    Sie ließ sich auf ihren Schreibtischsessel fallen, schaukelte ein paarmal vor und zurück und versuchte sich auszumalen, wo Jennifer jetzt steckte. Sie beugte sich vor und nahm einen ausgiebigen Schluck aus ihrer großen Kaffeetasse. Ihre hatte ein großes rotes Herz und den Schriftzug »Beste Mama der Welt« auf einer Seite und war ein vorhersagbares Muttertagsgeschenk von ihren Kindern. Sie bezweifelte, dass sie es so meinten, aber immerhin tat sie ihr Menschenmögliches, um es wenigstens zu versuchen.
    Sie seufzte, nahm den USB -Stick mit der Festplattenkopie von Jennifers Laptop und steckte ihn in ihren eigenen Computer. Dann lehnte sie sich zurück, und in der Hoffnung, dass der Bildschirm vor ihr sie auf irgendeine Spur der Vermissten bringen würde, machte sie sich daran, im Leben der Sechzehnjährigen zu stöbern.
    Terri fand eine Passwortdatei, mit deren Hilfe sie Jennifers Eintrag bei Facebook öffnen konnte. Jennifer hatte nur eine sehr kleine Zahl von »Freunden« – ein paar Klassenkameraden an der Highschool und ein paar Rock- und Popstars. Die bunte Mischung reichte von überraschenden Einträgen wie Lou Reed, der älter als ihre Mutter war, über eine Tex-Mex-Rockgruppe namens Six Juans bis zu ein paar Garagenbands mit Namen wie FugU und MomandDadHateUs, die es sich – nach den Musikclips zu urteilen – zur Aufgabe gemacht hatten, die widerwärtigsten Geräusche zu produzieren. Terri hätte mit Jonas Brothers und Miley Cyrus gerechnet, doch Jennifers Geschmack bewegte sich weit fort vom Mainstream. Unter der Rubrik »Was ich mag« hatte sie »Freiheit« geschrieben, und unter »Was ich nicht mag« »Blender«. Terri vermutete, dass dieses Wort in Jennifers Welt auf jede Menge Leute passte.
    Unter ihrem Profil hatte Jennifer jemanden namens Hotchick99 mit dem Facebook-Eintrag zitiert: »… jeder an unserer Schule hasst dieses Mädchen …«
    Jennifer hatte geantwortet: »Von Leuten wie ihr gehasst zu werden ist ein Kompliment. Ich wäre nicht gern jemand, den sie mögen würde.«
    Terri schmunzelte. Eine streitbare Verfechterin mehr als einer guten Sache. Sie zog innerlich den Hut vor dem vermissten Mädchen, was sie nur noch trauriger stimmte, wenn sie daran dachte, was Jennifer wahrscheinlich auf der Straße drohte. Dann sähe die Sache mit der Flucht bald nicht mehr so großartig aus.
Vielleicht ist sie so vernünftig und ruft zu Hause an – egal, wie schwer es ihr fällt.
    Sie ging auf dem Browser Verlaufsprotokolle und Lesezeichen durch. Jennifer hatte ein paar Computerspiele ausprobiert, eine Reihe Wikipedia- und Google-Suchaktionen durchgeführt, die offenbar mit Schulfächern zusammenhingen. Sie hatte sich sogar eine Texteingabe übersetzen lassen, die nach einer

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