Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Professor

Titel: Der Professor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
Vom Netzwerk:
Spanisch-Hausaufgabe aussah. Ihre Computerabhängigkeit schien sich in bescheidenen Grenzen zu halten. Sie hatte einen Skype-Account, in dem jedoch keine Namen aufgelistet waren. Wahrscheinlich befanden sich die meisten wichtigen Informationen auf ihrem Handy – das mit ihr zusammen verschwunden und noch nicht wieder benutzt worden war.
    Terri überflog einen Aufsatz zum Thema »Underground Railroad« über die Geschichte der Sklavenbefreiung in Amerika und einen aus dem Englischunterricht über Dickens’ Roman
Große Erwartungen,
die sie beide unter »Dokumente« fand. Sie rechnete halb damit, dass sie aus dem Internet-Angebot vorgefertigter Hausaufgaben stammten, stellte jedoch fest, dass sie ihr unrecht tat. Sie bekam den Eindruck, dass Jennifer die meisten Hausaufgaben für die Schule selbst anfertigte, womit sie eher die Ausnahme als die Regel war.
    Außerdem schien sie Knüttelverse zu lieben. Sie hatte Kostproben von Shel Silverstein und dem Comic-Autor Ogden Nash, eine seltsame Auswahl für einen Teenager unserer Tage. Terri fand eine Datei mit dem Titel
6
Gedichte für Mister Braunbär,
bei denen es sich um Reimpaare und Haikus handelte, die sie für ihr Stofftier geschrieben hatte. Einige davon – mehr als sechs – waren recht witzig und brachten Terri zum Schmunzeln.
Kluges Mädchen,
dachte sie wieder.
    Sie setzte ihre Suche fort. Es gab häufige Aufrufe veganer Websites und New-Age-Blogs, Versuche, wie Terri vermutete, ihre Mutter und ihren Quasi-Stiefvater zu verstehen.
    Terri hoffte, ein inbrünstiges Tagebuch voller irregeleiteter Teenager-Sehnsüchte zu finden, wurde aber enttäuscht. Sie stöberte nach irgendeinem Dokument, das ihr in noch so vagen Zügen etwas über Jennifers Plan verriet, doch Fehlanzeige. Sie fand gespeicherte Bilder, die meisten allerdings von Jennifer und ein paar Freunden, die lachten, sich umarmten, bei gemeinsamen Übernachtungen oder Partys herumalberten – auch wenn es immer schien, als sei Jennifer ein wenig am Rande des Geschehens.
    Sie ging weiter die Bilddateien durch und stieß nach einer Weile auf ein halbes Dutzend Nacktfotos, die Jennifer von sich selbst gemacht hatte. Sie konnten nicht älter als ein Jahr sein. Terri nahm an, dass sie ihre Autofokus-Digitalkamera auf einen Bücherstapel gestellt und davor posiert hatte. Sie waren nicht besonders sexy – eher so, als wollte Jennifer die Veränderungen dokumentieren, die an ihrem Körper stattfanden. Sie war schlank, mit Brüsten, die sich nur wenig vorwölbten. Sie hatte lange Beine, die sie verschämt überkreuzte, so dass ihr Schamhaar nur andeutungsweise zu sehen war – als sei ihr das, was sie machte, peinlich, selbst wenn es in der Abgeschiedenheit ihres Zimmers geschah. Auf zwei Schnappschüssen probierte sie die Teenagerversion eines »Ich will dich«-Blickes aus – wodurch sie nur noch jünger und kindlicher wirkte.
    Terri sah sich beide genau an. Sie öffnete sie mehrfach auf dem Bildschirm, als rechnete sie damit, dass plötzlich ein nackter Junge ins Bild sprang. Sie wollte gerne glauben, dass Kinder in diesem Alter noch nicht sexuell aktiv sind. Das war die Mutter in ihr. Die abgebrühte Kriminalistin in ihr wusste natürlich, dass sie alle viel mehr Erfahrungen hatten, als sich die Eltern träumen ließen. Oralsex. Analsex. Gruppensex. Altmodischer Sex. Die Kids wussten über alles Bescheid, und einiges davon aus eigener Erfahrung. Terri war froh, dass die einzigen provokativen Fotos auf Jennifers Laptop Selbstporträts waren.
    Sie betrachtete sie und merkte plötzlich, dass etwas Trauriges über diesen Fotos lag. Jennifer war davon fasziniert, was aus ihr wurde – doch in ihrer Nacktheit wirkte sie nur umso einsamer und verletzlicher.
    Terri hatte ihre Nachforschungen fast abgeschlossen, als ihr ein paar Google-Suchen ins Auge sprangen. Eine betraf Nabokovs
Lolita,
einen Roman, der, wie Terri wusste, in keinem Schulkanon zu finden war. Die andere betraf »Männer, die sich entblößen«.
    Jennifer hatte nur zwei Einträge angeklickt, Yahoo Answers und eine Website mit einem Psychologieforum und einem Link zu einer Artikelserie der Abteilung für Psychiatrie an der medizinischen Fakultät der Emory University über die psychologischen Implikationen von Spannern und Exhibitionisten. Dieses zweite Suchergebnis enthielt medizinischen Fachjargon, der eine Sechzehnjährige eindeutig überforderte, wovon sich Jennifer aber offensichtlich nicht hatte abschrecken lassen.
    Terri lehnte sich

Weitere Kostenlose Bücher