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Der Professor

Titel: Der Professor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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wenn du nur
 …
    Na schön, sagte sie wie zur Antwort auf ihre Krittelei.
Jetzt werde ich mich konzentrieren.
    Also saß sie still und gab sich Mühe:
Die Augen des Mannes. Die tief heruntergezogene Mütze der Frau. Wie groß waren sie? Was hatten sie an?
Sie holte tief Luft und glaubte auf einmal, den Körpergeruch des Mannes zu riechen, wieder mit dem Rücken auf die Ladefläche gedrückt zu werden und unter seiner Kraft kaum Luft zu bekommen. Bevor sie wusste, was sie tat, schlug sie sich auf die Haut, als könnte sie so das Gefühl loswerden, dass er sich an ihr vergriffen hatte. Sie kratzte sich an den Armen, als sei sie in Giftefeu geraten. Doch als sie die Striemen fühlte und merkte, dass sie blutete, zwang sie sich, damit aufzuhören, was sie mehr Kraft kostete, als sie zu haben glaubte.
    Also gut. Die Frau
 … Ihr ausdrucksloser Ton war beängstigend gewesen. Die Frau war in den Kellerraum gekommen, und sie war es gewesen, die über Regeln gesprochen hatte, ohne zu sagen, welche.
    Jennifer versuchte sich jedes Wort ins Gedächtnis zu rufen, das die Frau zu ihr gesagt hatte, doch das meiste war in dem Nebel des Betäubungsmittels untergegangen, von dem sie ohnmächtig geworden war.
    Dabei stand außer Zweifel,
dass
es passiert war. Mit Sicherheit hatte die Frau ganz in ihrer Nähe gestanden, ihr das Getränk gegeben und ihr befohlen zu
gehorchen
. Das alles
hatte
stattgefunden. Das hier war nicht nur ein böser Traum. Sie würde nicht mitten in der Nacht in ihrem Bett aufwachen und durch die dünnen Wände hören, wie ihre Mutter und Scott heimlich Sex miteinander hatten. Sie dachte daran, wie sehr sie es gehasst hatte, dort zu sein, und wie sehr sie sich jetzt danach sehnte. Jennifer fühlte sich wie zwischen Traum und Wachen, und zum ersten Mal schlich sich die Frage in ihr Bewusstsein, ob sie vielleicht schon tot war.
    Jennifer wippte ein wenig nach vorn.
Ich bin tot,
sagte sie stumm.
So muss sich das anfühlen. Es gibt keinen Himmel. Es gibt keine Engel und Posaunen und keine Pforte über luftigen Wolken. Es gibt nur das.
    Sie schnappte nach Luft. Nein, nein. Da, wo sie sich gekratzt hatte, tat es weh. Also war sie am Leben. Doch wie sehr, konnte
     sie nicht sagen, und schon gar nicht, wie lange.
    Sie wechselte die Stellung und versuchte sich an die genauen Worte der Frau zu erinnern, als enthielten sie vielleicht irgendeinen wichtigen Hinweis. Doch jede Formulierung, jede Tonlage und jeder Befehl schienen weit weg, und sie merkte, wie sie die Hände ausstreckte, als könnte sie eins der Wörter in der Luft aufschnappen.
    Wenn du das hier überleben willst, dann tust du immer genau das, was man dir sagt.
Das hatte die Frau ihr eingeschärft. Indem sie alles mit sich machen ließ, konnte Jennifer am Leben bleiben.
Wie sollte sie gehorchen? Was sollte sie tun?
Als sie merkte, dass sie sich nicht mehr erinnerte, was von ihr erwartet wurde, hielt sie die Luft an, und ein einziger Schluchzer
     brach so heftig aus ihr hervor, dass sie es nicht verhindern konnte.
    Dieser Gedanke machte ihr Angst, und sie zitterte.
    Jennifer kämpfte mit sich: Ein Teil von ihr wollte sich in tiefste Verzweiflung stürzen und sich einfach dem Grauen ihrer Situation –
und dem, was sie noch erwarten mochte
 – widerstandslos überlassen, doch sie kämpfte mit aller Macht dagegen an. Sie wusste zwar nicht, wie aussichtsvoll ihr Kampf war, andererseits war sie, solange sie kämpfte, lebendig, und allein das zählte schon. Womit sie es aufzunehmen hatte, vermochte sie nicht zu sagen.
    Ich bin Numme
r 4.
Die machen das also nicht zum ersten Mal
. Sie wünschte sich, sie hätte mehr über Gefängnisse gewusst und darüber, wie Menschen darin überlebten. Sie wusste, dass einige Menschen monate-, sogar jahrelange Entführungen überlebt hatten, bevor sie entkamen. Menschen verirrten sich im Dschungel, wurden auf Bergspitzen zurückgelassen, trieben als Schiffbrüchige auf hoher See.
Menschen können überleben,
redete sie sich gut zu.
Ich weiß es. Es stimmt. Es geht.
Allein dieser Gedanke verhinderte, dass sie sich auf dem Bett zusammenrollte und schicksalsergeben auf die schrecklichen Dinge wartete, die ihr als Nächstes drohten.
    Dann sagte sie sich:
Du
warst
in einem Gefängnis, deshalb bist du weggelaufen. Du hast das durchgezogen. Also … hast du mehr drauf, als du denkst
.
    Sie setzte sich auf dem Bettrand zurecht.
Die Toilette. Wenn sie mich sofort umbringen wollten, hätten sie nicht die Toilette besorgt.
Jennifer

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