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Der Professor

Titel: Der Professor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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lächelte zaghaft. Sie befahl sich, alles, was sie berühren, hören oder riechen konnte, ständig zu messen und abzuschätzen. Das Klo war sechs Schritt vom Bett entfernt. Wenn sie sich daraufsetzte, straffte sich die Kette an ihrem Hals – das war also eine Grenze, die ihr gesteckt war. Die andere Richtung hatte sie noch nicht erkundet, doch sie wusste, dass dies als Nächstes fällig war. Sie vermutete, dass das Bett in der Mitte des Zimmers an der Wand stand. Wie das metallene Winkelmaß des technischen Zeichners hatte sie einen bestimmten Bewegungsradius.
    Sie horchte angestrengt auf Geräusche und hob den Kopf – ein wenig wie ein Tier, das im Wald auf eine Fährte stößt oder etwas hört, das an seinen tiefen Wachsamkeitsinstinkt rührt. Sie hielt den Atem an, damit ihr nicht das leiseste Geräusch entging.
    Nichts. »Hallo?«, sagte sie laut. Unter der Haube war ihre Stimme gedämpft, aber doch deutlich genug, dass sie jeder, der den Raum betrat, hätte hören können. »Jemand da?«
    Nichts. Sie ließ langsam die Luft entweichen und stand auf. Wie beim ersten Mal streckte sie die Hände aus, nur dass sie diesmal darauf achtete, ihre Schritte zu zählen.
Von der Ferse bis zur Zehe. Wie viele Jennifer-Schritte sind es jeweils?
    Die Hände an der Wand, bewegte sie sich zur Toilette
. Eins. Zwei. Drei …
Sie zählte zehn Jennifer-Schritte, bevor sie mit dem Knie an den Sitz stieß, und rechnete schnell nach:
ungefähr zwei Meter dreißig.
Sie bückte sich und strich mit den Fingern über den Boden. Wie erwartet, merkte sie, dass sich beim Beugen die Kette straffte.
Also gut, und jetzt beweg dich langsam von der Wand weg in die Mitte.
    Jennifer machte einen Schritt und hatte plötzlich Angst. Die Wand an ihren Handflächen bot eine gewisse Sicherheit und half ihr, das Gleichgewicht zu wahren. Sobald sie sich davon entfernte, trat sie, nur von der Kette um ihren Hals gefesselt, blind ins Leere.
    Sie schnappte nach Luft und zwang sich, den Halt der Wand und die nunmehr vertraute Markierung der Toilette zu verlassen.
     Es schien wichtig. Es war das, was in dieser Situation
anstand,
und indem sie sich auf Entfernungen konzentrierte, versuchte sie zumindest, sich zu helfen. Sicher, es war nicht viel, aber
     immerhin ein Anfang.
     
    Michael und Linda lagen nackt auf dem Bett im Obergeschoss. Sie hatten gerade miteinander geschlafen und waren von der Erregung noch schweißnass. Auf der Tagesdecke stand vor ihnen ein Laptop, und sie starrten gebannt auf den kleinen Bildschirm. Der Computer war ein Spitzenprodukt von Apple. Er hatte eine WLAN -Verbindung zum Hauptstudio in einem angrenzenden Raum.
    In ihrem eigenen Zimmer befand sich ein Doppelbett mit leidenschaftlich zerknüllten und verfleckten Laken. In ein paar Hartschalenkoffern sowie Leinenreisetaschen hatten sie ihre Kleider. Eine nackte Glühbirne an der Decke spendete kaltes Licht. Abgesehen von dem schlichten Holztisch in der Ecke zeichnete sich der Raum durch klösterliche Leere aus. Auf dem Tisch waren einige Schusswaffen aufgereiht – zwei Magnum-Revolver Kaliber 357 sowie drei halbautomatische Pistolen Kaliber 9 Millimeter, daneben eine Flinte Kaliber 12 sowie ein Exemplar der guten alten AK -47. Überall lagen Schachteln mit Munition sowie volle Ersatzmagazine herum – ein Arsenal, um ein halbes Dutzend Leute zu bewaffnen.
    »Gib allen ein Piepsignal durch«, sagte Linda. Sie beugte sich zum Monitor vor und sah zu, wie Jennifer unsicher von der Wand neben der Toilette wegtrat. »Das ist echt cool«, fügte sie bewundernd hinzu.
    Michael sah Jennifer nicht. Vielmehr konzentrierte er sich auf die Kurve von Lindas Rücken. Er strich ihr mit den Fingern den Rücken hinauf bis zum Hals, dann über ihre Schultern, schob ihr Haar zur Seite und küsste sie auf den Nacken. Linda schnurrte beinahe, als sie sagte: »Vergiss nicht die zahlende Kundschaft …«
    »Die können ja wohl ein paar Sekunden warten«, sagte er. Dann glitt er mit der Zunge bis zu ihrem Ohr.
    Linda kicherte und richtete sich auf, so dass sie mit überkreuzten Beinen auf dem Bett saß. Sie nahm den Laptop und stellte ihn sich theatralisch zwischen die Beine, so dass er ihr Geschlecht verdeckte. Dann beugte sie sich ein wenig über den Bildschirm und ließ ihre nackten Brüste darüber baumeln. »Da …«, sagte sie grinsend. »Vielleicht kann ich so deine Aufmerksamkeit auf unsere Arbeit lenken.«
    Michael nickte lachend. »Das kannst du laut sagen.«
    Er tippte ein paar

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