Der Professor
keine unmittelbare Bedrohung dar. Sie hatte einfach nur den Drang, es da, wo es war, liegen zu lassen. Doch dann meldete sich plötzlich eine andere, überraschende Stimme in ihr, und sie streckte noch einmal die Hand aus. Diesmal strich sie über den Gegenstand.
Sie legte die Hand darum und hob ihn auf. Als lese sie Brailleschrift, ließ sie die Finger darübergleiten.
Ein kleiner Riss, ein ausgefranster Rand.
Sie drückte den Gegenstand fest an die Brust und flüsterte leise:
»Mister Braunbär.«
Jennifer schluchzte hemmungslos und streichelte immer wieder über das abgewetzte Fell des einzigen Erinnerungsstücks aus ihrer Kindheit, das sie genug geliebt hatte, um es bei ihrer Flucht von zu Hause mitzunehmen.
15
T erri Collins mahnte sich zu einem professionellen Verhalten – sich an die Fakten zu halten und nicht zu spekulieren. Doch sie hatte jede Menge Zweifel. Kaum war sie wieder in ihrem Büro, befasste sie sich mit dem Transporter, den Adrian beschrieben hatte. Die Sache überstieg die Logik der Kleinstadtpolizei, die Erfahrungswerte vieler Jahre, und sie passte nur allzu gut ins Konzept von Scott, der hinter den banalsten Ereignissen düstere Verschwörungen der Behörden sah oder dämonische Machenschaften.
Sie war erstaunt, der elektronischen Antwort der Staatspolizei von Massachusetts zu entnehmen, dass ein Paar Nummernschilder
mit den Buchstaben QE vor fast drei Wochen auf dem Langzeitparkplatz am Logan International Airport an einer Limousine gestohlen worden waren. Sie beugte sich zum Bildschirm vor, als ob sie, wenn sie nur nahe genug heranging, den Wert dieser Information besser einschätzen könnte.
Der Diebstahl war mit einiger Verspätung gemeldet worden, da der Täter sich die Zeit genommen hatte, ein anderes Paar Nummernschilder am Wagen des Geschäftsmannes anzuschrauben. Dieses zweite Paar war wieder einen Monat früher in einer Mall entwendet worden, die hundert Meilen entfernt im westlichen Massachusetts lag. Wahrscheinlich hätte der Geschäftsmann die vertauschten Schilder gar nicht bemerkt – wer schaut schon auf sein eigenes Kennzeichen? –, wäre er nicht wegen Trunkenheit am Steuer herausgewunken worden. Der doppelte bürokratische Aufwand – ein Diebstahl am einen Ende des Bundesstaates, der Wechsel der Schilder an ein anderes Fahrzeug, das von einem unausstehlichen, arroganten Betrunkenen gefahren wurde, der den zuständigen Staatspolizisten nicht nur beschimpfte, sondern ihm auch keine nachvollziehbare Erklärung dafür bot, wo seine rechtmäßigen Schilder hingekommen sein könnten –, dies alles sorgte für einen beträchtlichen Papierkrieg. Jemand schien sich doppelt und dreifach abzusichern. »Nun«, sagte sie, »immerhin etwas, das wir über ihn wissen.« Adrian hatte sich wohl die Ziffer und den dritten Buchstaben falsch eingeprägt. Das
quod erat
war korrekt, auch wenn es wohl für jeden Professor mit einem Doktortitel einer Elite-Uni und makellosem Ruf einfach typisch war, nach dem Quod automatisch das
demonstrandum
zu erwarten.
Sie weitete ihre Computer-Recherche nach einem nicht lange zurückliegenden Diebstahl eines weißen Transporters auf Datenbasen in Massachusetts, New Hampshire, Rhode Island und Vermont aus. Wenn jemand in diese willkürliche Entführung verstrickt war und sich der Mühe unterzogen hatte, zwei verschiedene Paar Nummernschilder zu stehlen, bezweifelte sie, dass derjenige etwas anderes als ein gestohlenes Fahrzeug benutzte.
Sie fand drei: einen brandneuen Transporter, der vom Parkplatz eines Autohändlers in Boston entwendet worden war, eine zwölf Jahre alte Klapperkiste von einem Wohnwagenpark in New Hampshire und einen drei Jahre alten Lieferwagen, auf den Adrians Beschreibung passte und der vor einer Woche von einem Autoverleih im Zentrum von Providence gestohlen worden war.
Dieser Diebstahl war interessant. Auf dem hinteren Teil eines Parkplatzes mitten im städtischen Ödland stand eine Flotte von zwanzig, vielleicht dreißig zum Verwechseln ähnlicher Autos in Reih und Glied. Wenn der Dieb nicht gerade offensichtliche Zeichen gewaltsamen Eindringens hinterlassen hatte – ein weggerissener Maschendrahtzaun, das Zerstörungswerk eines Hochdruckbolzenschneiders an einem Schloss –, konnte es sein, dass der Verleih den Verlust eines Wagens erst nach vierundzwanzig Stunden bei der Inventur bemerkte. Und falls die Jungs, die dafür zuständig waren, ein wenig schlampten, dauerte es womöglich noch länger.
Keines der drei
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