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Der Professor

Titel: Der Professor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Revier angerufen und gemeldet, dass dieser oder jener Mann verdächtig langsam durch ihr Wohnviertel gefahren war? Terri wusste, dass eine Menge an Recherchen anstand, die schnell und effizient zu erledigen waren.
    Denn falls Jennifer tatsächlich entführt worden war, tickte die Uhr. Falls es denn überhaupt ein Zeitfenster gab.
Vielleicht haben wir es mit einer einzigen, in die Länge gezogenen Vergewaltigung und einem Mord zu tun. So läuft es gewöhnlich in diesen Fällen. Verschwunden, bis zum bitteren Ende missbraucht, dann tot.
Sie versuchte, den Gedanken wegzuschieben.
Doch es sind zwei Insassen in dem Lieferwagen gewesen. Das zumindest behauptet der alte Mann.
Und es ergab in ihren Augen keinen Sinn. Triebtäter arbeiteten allein, versuchten, ihre Wünsche so weit wie möglich zu verschleiern, und agierten daher im Verborgenen.
    Sie rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her. Vielleicht gab es in Osteuropa oder Lateinamerika Kidnappings, die im Rahmen des internationalen Menschenhandels organisiert wurden, aber nicht in den Vereinigten Staaten, und schon gar nicht in kleinen Universitätsstädten in Neuengland. Und was sagte ihr das?
    Terri dachte an Mary Riggins und Scott West und war sich darüber im Klaren, dass sie sich von ihnen keinerlei Hilfe erwarten durfte. Scott würde die Sache mit seinen ungefragten Meinungen und irgendwelchen Forderungen eher unnötig komplizieren. Mary würde, sobald das Wort »Sextäter« fiel, vollends in Panik geraten. Ihr blieb nur eine Alternative.
    Sie hatte keine Ahnung, was mit Adrian Thomas nicht stimmte. Er kam ihr ein wenig vor wie ein flackerndes Licht. Sie führte sich vor Augen, wie geistesabwesend, von seiner Umgebung abgehoben er ihr erschienen war und wie er ihr diese Geschichte erzählt hatte, als sei er in Gedanken irgendwo anders.
Jedenfalls stimmt etwas nicht mit ihm,
dachte sie.
Vielleicht ist er aber auch einfach nur alt, und das erwartet uns alle früher oder später.
    Dies war ein nachsichtiger Gedanke, den sie sich selbst nicht abkaufte, während sie ihre Sachen einsammelte und beschloss, dem Professor einen Besuch abzustatten.

16
    E r dachte:
Die waren wirklich schrecklich.
    Natürlich konnte »schrecklich« ihr Verbrechen nicht im Mindesten beschreiben. Das Wort war »antiseptisch«. Adrian starrte auf Bilder von Myra Hindley und Ian Brady, die auf dem Umschlag der
Encyclopedia of Modern Murder
prangten, welche er sich von Roger Parsons ausgeliehen hatte. Er war sowohl fasziniert als auch erschrocken. Das Buch enthielt
     so viele grausige Details, dass sie durch die schiere Masse beliebig und irgendwie belanglos wurden
. Dieses Opfer wurde mit einem Beil getötet. Die Schreie jenes Opfers wurden auf Tonband festgehalten. Sie machten pornographische Fotos. Dieses Kind wurde draußen im Moor in einem nicht sehr tiefen Grab verscharrt
.
    Die Lektüre war wie ein Gang über ein Schlachtfeld. Wenn man eine Leiche sieht, hat es eine grausige Faszination, so dass man sich kaum davon losreißen kann. Hat man hundert gesehen, stumpft man ab.
    Wie jeder gute Wissenschaftler hatte sich Adrian in sein Thema vertieft. Es freute ihn, festzustellen, dass ihm seine Gabe, in kürzester Zeit eine Fülle an Informationen zu verarbeiten, noch nicht wie so viele andere seiner intellektuellen Fähigkeiten abhandengekommen war. Nachdem er sich einen großen Teil der Nacht und des folgenden Vormittags mit einem Haufen Bücher sowie Computer-Recherchen um die Ohren geschlagen hatte, wusste Adrian, dass er sich über das eigentümliche Phänomen krimineller Liebespaare ein Bild verschafft hatte.
Was tut der Mensch aus Liebe? Wundervolle Dinge? Oder entsetzliche Dinge?
    Zugleich hoffte er, dass niemand käme und ihn aufforderte, sechs und neun zusammenzuzählen, oder ihn fragte, welchen Wochentag sie hatten, oder auch welche Woche im Monat oder welchen Monat im Jahr oder auch welches Jahr – denn er bezweifelte, dass er darauf, selbst mit der feinfühligen Hilfe eines geliebten, doch längst verstorbenen Menschen, die korrekten Antworten wusste. Geister waren hilfreich – aber nur bis zu einem bestimmten Punkt. Er war sich immer noch nicht im Klaren, von welchem praktischen Nutzen die Informationen waren, die er von ihnen bekam.
    Er war klug genug, um zu wissen, dass sich jede Halluzination aus der Erinnerung speiste, aus der Erfahrung, aus seiner Projektion von etwas, das Cassie oder Brian oder wer auch immer früher einmal gesagt haben
mochte
oder jetzt vielleicht

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