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Der Professor

Titel: Der Professor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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elastischem, seidigem Stoff, das ihr um den Hinterkopf gebunden war, hatte die Haube ersetzt. Sie tastete über den Knoten. Er hatte sich bereits mit ihrem Haar verfilzt. Sie berührte die Kette an ihrem Hals. Das hatte sich nicht geändert.
    Ihr war klar, dass sie die Binde problemlos entfernen und herunterreißen konnte, doch dann hätte sie gesehen, wo sie war. Jennifer legte Mister Braunbär behutsam neben sich aufs Bett, hob die Hände und fasste mit den Fingern unter den Stoff. Dann hörte sie auf.
    Irgendwo weit weg weinte das Baby wieder. Das ergab keinen Sinn. Wie passte in das, was hier passierte, ein Baby? Ein weinendes Baby bedeutete, dass sie sich in einer Wohnung oder in einem Haus in direkter Nachbarschaft zu anderen Häusern befand.
Haben der Mann und die Frau, die mich auf der Straße entführt haben, ein Baby?
Ein Kind bedeutete Elternschaft, Verantwortung, Normalität – doch das, was mit ihr geschah, hatte mit Normalität nicht das Geringste zu tun. Mit einem Baby verband sie Minivans und Gitterbettchen und Kinderwagen und Ausflüge in den Park, doch das alles war etwas aus einer anderen Welt. Die Haube war verschwunden.
Jetzt trage ich eine Binde. Ich könnte sie mir abnehmen. Vielleicht wollen sie das ja. Woher soll ich das wissen! Ich möchte mich so verhalten, wie sie es wollen, aber ich weiß nicht, was sie von mir erwarten.
    Dann sog sie heftig die Luft ein, als hätte sie ein Schlag in den Magen getroffen.
Sie waren hier. Im Zimmer. Als ich schlief. Sie haben mir die Haube abgenommen und mich dabei nicht geweckt. Oh mein Gott …
    Jennifer ging die Möglichkeiten durch: Sie hatten ihr etwas in eine ihrer dürftigen Mahlzeiten gemischt. Vor Erschöpfung war sie in einen so tiefen Schlaf gefallen, dass sie nicht einmal aufwachte, als sich ihre Entführer an ihr zu schaffen machten, ihr die Haube abnahmen und durch die Binde ersetzten. Was hatten sie noch mit ihr gemacht, als sie nichts mitbekam?
    Zum hundertsten Mal, wie ihr schien, konnte sie die Tränen nicht zurückhalten, schluchzte sie und schnappte nach Luft. Von den Tränen wurde die neue Augenbinde nass. Sie griff nach Mister Braunbär und flüsterte ihm zu: »Gott sei Dank, dass du noch bei mir bist, denn du bist das Einzige, das mir das Gefühl gibt, nicht ganz allein zu sein.«
    In ihrer Qual und Einsamkeit schaukelte Jennifer vor und zurück, bis sich die Konvulsionen in ihrer Brust langsam entspannten. Ihr Atem wurde ruhiger, die Krämpfe, die sie geschüttelt hatten, ließen nach. Genau in dem Moment, als ihr Schluchzen verstummte, gab das Baby einen langen, herzzerreißenden Klagelaut von sich, dessen Echo in ihrer dunklen Welt widerhallte. Leise.
    Wieder drehte sie den Kopf, versuchte auszumachen, aus welcher Richtung das Geräusch kam, ohne jedoch irgendetwas zu erkennen, das die Nähe eines Babys erklärte. Für ein, zwei Sekunden hatten die Schreie sie daran erinnert, dass außerhalb der Dunkelheit vor ihren Augen noch eine Welt existierte. Doch genauso plötzlich, wie sie in ihr Bewusstsein getreten waren, verstummten sie wieder und ließen sie im selben Schwebezustand zurück.
    Wieder kämpfte Jennifer gegen ihre Emotionen an.
Schluss mit den Tränen. Schluss mit dem Weinen. Du bist kein Baby.
Jedenfalls wies sie den Gedanken energisch zurück. Einen beängstigenden Augenblick lang dachte sie, das Schreien und Plärren käme vielleicht von ihr selbst und sie hörte in einem seltsamen Rückschritt ins Kleinkindalter ihre eigene Stimme.
    Sie atmete schwer.
Nein,
sagte sie sich.
Nicht meine.
Ich bin hier. Die sind dort. Reiß dich zusammen!
Auch wenn sie sich das nicht zum ersten Mal sagte, wusste sie immer noch nicht, wie sie es anstellen sollte.
    Sie war auch klug genug, um zu erkennen, dass jedes Mal, wenn sie sich den Befehl gab, ihre Angst in den Griff zu bekommen, etwas geschehen war, das ihre Bemühungen unterlief und sie erneut in die blanke Verzweiflung zurückwarf.
Das machen sie mit Absicht.
    Wieder strengte sie sich an, etwas zu hören. Jennifer war sich nicht sicher, ob die Babygeräusche ein gutes oder schlechtes Zeichen waren. Zweifellos waren sie wichtig, aber sie konnte nicht sagen, inwiefern. Das frustrierte sie wieder zu Tränen, doch diesmal machte sie sich klar, dass bisher alles, was sie zum Weinen gebracht hatte, ihre Lage nur verschlimmert hatte.
    Sie legte sich aufs Bett zurück. Sie hatte Durst, Hunger, Angst und Schmerzen – auch wenn sie nicht sagen konnte, wo genau sie verletzt war. Es war

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