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Der Professor

Titel: Der Professor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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bin zu schnell gefahren. Immer zu schnell. Zu leichtsinnig. Ich konnte einfach nicht hinter dem Lenkrad sitzen, ohne ständig die Geschwindigkeitsbeschränkung und die Grenzen der Vernunft deutlich zu überschreiten. Bei hundertsechzig Sachen war ich wild, bei zweihundert verrückt und bei zweihundertzwanzig richtig psychotisch. Und es hat mir Spaß gemacht, so zu rasen. Hab mich frei gefühlt. Aber früher oder später hätte es mich umgebracht. Ich hab so oft um ein Haar die Kontrolle verloren. Ich wusste, dass ich ein gewaltiges Risiko einging, es war zu gefährlich, also hab ich ihn verkauft. Größter Fehler, den ich je gemacht hab. Der Wagen war schön, und es wäre eine bessere Art gewesen, mich …« Brian sprach nicht weiter.
    Sein Bruder legte die Hände vors Gesicht. »Tut mir leid, Audie. Hab nicht dran gedacht. Genau das hat Cassie getan.« Brians Stimme klang auf einmal leise, wie von ferne. »Sie und ich, wir waren uns kein bisschen ähnlich. Ich weiß, dass du denkst, wir hätten uns nicht verstanden, aber das stimmt nicht. Haben wir durchaus. Wir haben nur gegenseitig etwas in uns gesehen, was uns Angst gemacht hat. Wer hätte gedacht, dass wir mal auf ähnliche Weise über den Jordan gehen?«
    Adrian wollte etwas sagen, brachte aber kein Wort heraus. Ihm traten die Tränen in die Augen. Er hörte nur den Schmerz in der Stimme seines Bruders, der ihn an denselben Ton bei seiner Frau erinnerte. »Ich hätte es wissen müssen. Ich war der Psychologe. Ich war Seelenklempner. Ich hatte die Ausbildung …«
    Brian lachte. »Hat Cassie dich nicht von dieser Schuld freigesprochen? Hätte sie aber tun sollen. Hey, pass auf! Der Typ fährt gerade da vorne rein. Da hol mich doch der Teufel. Genau der Laden, in dem man sich so einen Irren vorstellt, oder?«
    Adrian antwortete nicht. Er sah, wie der beigefarbene Wagen in einen Baumarkt fuhr, der in diesem Stadtrandgebiet fast einen ganzen Häuserblock einnahm. Er sah dem Mann hinterher, wie er zur Rückseite des Gebäudes abbog und ein Schild passierte, auf dem PERSONALPARKPLATZ stand.
    Adrian fuhr in eine Parklücke an der Straße. Schweigend wartete er eine Viertelstunde. Brian schien auf dem Rücksitz eingeschlafen zu sein. Adrian überlegte, was er drinnen kaufen könnte, damit seine Fahrt unverfänglich aussah, auch wenn er sich natürlich in Wahrheit nur davon überzeugen wollte, dass der Mann bei der Arbeit war. »Gehen wir«, sagte er zu Brian. »Muss mich vergewissern, dass er den Rest des Tages hier verbringt.«
    Adrian stieg aus und lief mit schlurfenden Schritten über den Parkplatz, folgte den Bauunternehmern, Installateuren, Zimmerleuten und gestressten Vorstadt-Familienvätern, einem Querschnitt der Kleinstadtbevölkerung, die ins Gebäude strebten. Dabei sah er nicht einmal über die Schulter, um zu schauen, ob Brian ihn begleitete.
    In der riesigen Verkaufshalle überkam ihn ein Moment völliger Hilflosigkeit. Der Laden war wie ein Labyrinth in Dutzende Abteilungen untergliedert. Adrian wanderte die Regalreihen mit Fliesen und Holzvertäfelung, mit rostfreien Spülbecken und Armaturen, mit Spachteln und Hämmern und Bohrmaschinen ab. Er wollte gerade aufgeben, als er den Mann in der Elektroabteilung entdeckte. Eine Weile sah er zu, wie Wolfe lebhaft mit einem Mann und einer Frau von etwa Anfang dreißig sprach. Der Mann schüttelte den Kopf, doch die Frau schien animiert, als sei sie davon überzeugt, dass sie beide, mit dem richtigen Werkzeug und fachmännischem Rat, ihr Haus neu verkabeln könnten. Der Mann machte ein Gesicht, das man zuweilen bei jungen Ehemännern antrifft, die wissen, dass ihnen etwas aufgehalst wird, was eine Nummer zu groß für sie ist, ohne es verhindern zu können. Hätten die beiden gewusst, mit wem sie sich so angeregt unterhielten, wären sie entsetzt zurückgeschreckt.
    Adrian blieb noch einen Moment stehen, doch nachdem er sich klargemacht hatte, dass er wieder vorbeikommen konnte, wenn der Mann Feierabend hatte, machte er kehrt und ging. Er hatte das Gefühl, etwas erreicht zu haben, auch wenn er nicht sagen konnte, was. Vielleicht war es einfach nur die Tatsache, jemandem näher gekommen zu sein, der ihm sagen konnte, wonach er suchen sollte.
    Allerdings würde es kein Leichtes sein, dem Mann etwas aus der Nase zu ziehen, und Adrian hatte keine Ahnung, wie er es anstellen sollte.
     
    Er verbrachte den Rest des Tages in gespannter Erwartung. Mit weiteren Recherchen über die Abgründe der Perversion. Der

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