Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Professor

Titel: Der Professor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
Vom Netzwerk:
weiteren Ergründung von Motiven und Elementen, die eine abnorme Persönlichkeit ausmachen. Doch er fand nichts, was ihm sagte, wo er Jennifer finden konnte. Er brauchte nicht erst Cassie oder Brian zu hören, die darauf bestanden, dass er schneller vorankommen müsse, dass ihm die Zeit ausging, dass jede Sekunde sie dem Tod näher bringe – falls sie noch am Leben sei. Alle diese Mahnungen waren berechtigt. Oder auch nicht. Er konnte es nicht sagen, und so ging er einfach davon aus, dass die Möglichkeit, sie zu retten, weiterhin bestand, weil die Alternative zu schrecklich erschien.
    Er dachte:
Sie retten. Dass ich nicht lache. Du hast nie jemanden gerettet außer dich selbst.
Plötzlich befürchtete er, wenn er aufhörte, nach ihr zu suchen, könnten Cassie und Brian und sogar Tommy verschwinden und ihn mit nichts weiter als verworrenen, zusammenhanglosen Erinnerungen allein lassen, und mit dieser Krankheit, die sie in seinem Kopf immer weiter verdrehte und bis zum Zerreißen spannte.
    Und so war er plötzlich allein, wunderte sich, wo Brian blieb, fragte sich, wieso Cassie das Haus nicht verlassen konnte und wieso Tommy ihn nur ein einziges Mal besucht hatte, hoffte, dass sein Sohn wiederkommen würde, und fand sich zum zweiten Mal vor dem Baumarkt ein. Der Tag ging zur Neige, und er fürchtete, dass er den Mann, wenn er von der Arbeit kam, vielleicht übersehen würde, doch dann fuhr das beigefarbene Auto ziemlich genau um die Zeit vom Parkplatz an der Rückseite des Ladens, die Adrian vermutet hatte. Adrian fädelte sich mit einem Wagen Abstand hinter ihm ein und behielt den Mann durch die Windschutzscheibe des Autos vor ihm im Auge, auch wenn das mit zunehmender Dunkelheit immer schwieriger wurde.
    Er rechnete damit, ihn bis zu dem adretten Haus zurückzuverfolgen – allenfalls legte der Mann einen Abstecher zum Supermarkt ein, doch das wäre es dann schon an Verzögerungen. Er irrte sich. Der Mann bog von der Hauptstraße ab und fuhr auf einer Nebenstraße Richtung Stadt. Das kam für Adrian überraschend, und er schwenkte so plötzlich aus, dass er den Verkehr gefährdete und jemanden – vermutlich einen Studenten – dazu brachte, ihm erbost hinterherzuhupen.
    Der beigefarbene Wagen war ihm auf einer Straße nicht weit von der Durchgangsstraße ungefähr dreißig Meter voraus. Der alte Volvo hatte Mühe mitzuhalten. Die Gegend war von Büros, Praxen und Wohnblocks sowie ein, zwei Kunstgalerien, einer Kirche der Kongregationalisten und einem Computer-Reparaturbetrieb geprägt. Das Auto flitzte auf einem kleinen Parkplatz in die einzige Lücke zwischen einem halben Dutzend anderen Fahrzeugen.
    »Was hat er da zu suchen?«, fragte Adrian laut. Er wartete auf eine Antwort von Brian, doch der erschien nicht. »Verdammt, Brian!«, brüllte Adrian. »Ich brauch jetzt deine Hilfe! Was soll ich machen?« Auf dem Rücksitz war es still.
    Fluchend gab Adrian Gas und fuhr geradeaus weiter. Die Universitätsstadt wimmelte von Parkverboten, die verhindern sollten, dass Studenten mit ihren Autos die Bürgersteige blockierten. Im Sommer waren die Straßen wie ausgestorben, während der Semester überfüllt. Er brauchte einige Minuten, um einen Häuserblock weiter einen Parkuhrenbereich zu finden.
    Adrian stieg energisch aus und knallte die Tür hinter sich zu. So schnell er konnte, lief er zu der Stelle zurück, an der er den Mann zuletzt gesehen hatte. Er fand das beigefarbene Auto, doch von dem Sexualstraftäter weit und breit keine Spur. Der Parkplatz gehörte zu einem stattlichen zweistöckigen Holzständerhaus mit weißer Schindelfassade, das in Büros umgebaut worden. Er sagte sich, dass seine Zielperson sich aller Wahrscheinlichkeit nach irgendwo da drinnen befand, und so lief er zum Haupteingang, an dem sich einmal eine Haustür befunden hatte. An der Wand neben dem Eingang hing ein Schild: PSYCHOLOGISCHE GEMEINSCHAFTSPRAXIS . Drei Dr. med.s und drei Dr. phil.s. Einer davon war Scott West.
    »So, so«, flüsterte Brian Adrian süffisant ins Ohr, als wüsste er schon lange, was Adrian im Gebäude vorfinden würde. »Der Freund von Jennifers Mutter behandelt einen aktenkundigen Sexualstraftäter. Das ist eine delikate Verbindung. Ob er das wohl erwähnt hat, als ihn Detective Collins neulich befragte?«
    Adrian drehte sich nicht zu seinem Bruder um. Er spürte, dass er dicht hinter ihm war. Er fragte auch nicht:
Wo warst du, als ich dich gerufen habe?
Stattdessen nickte er und antwortete zögerlich: »Er

Weitere Kostenlose Bücher