Der Professor
aus.«
Jennifer tastete die Stelle ab und fühlte unter den Fingern, was der Mann beschrieb. Sie nickte.
»Meine Haare«, sagte Jennifer. Sie wollte unbedingt ihre Haare waschen.
»Ein andermal«, sagte der Mann.
Jennifer machte weiter, indem sie den Waschlappen in den Eimer tauchte und die Seife benutzte. Sie bearbeitete noch einmal das Gesicht, nahm einen Rand des Lappens, rieb sich, obwohl es scheußlich schmeckte, damit Zähne und Gaumen ab. Sie bearbeitete jeden Teil ihres Körpers mehrmals hintereinander.
»Du bist fertig«, sagte der Mann. »Wirf den Waschlappen in den Eimer. Trockne dich mit dem Handtuch ab. Zieh die Unterwäsche wieder an. Kehr aufs Bett zurück.«
Jennifer gehorchte. Sie frottierte sich mit dem groben Handtuch ab. Dann tastete sie sich wie eine Blinde ums Bett, bis sie die beiden Kleidungsstücke fand, zog sie wieder an und bedeckte notdürftig ihre Blöße. Sie hörte, wie der Eimer aufgehoben wurde und gedämpfte Schritte sich zur Tür entfernten.
Sie wusste nicht, was in diesem Moment über sie kam. Vielleicht lag es an der Energie, mit der die Gymnastik ihr Herz und ihre Muskeln aufgetankt hatte, oder an der Stärkung durch die Mahlzeit oder an der Wiederbelebung durch das Waschen, jedenfalls lehnte sie den Kopf zurück, hob die Hand ans Gesicht und zog, nur für eine Sekunde, den unteren Rand der Binde hoch.
Als Michael die enge, schwarze, lange Unterwäsche und die Sturmhaube ausgezogen hatte und in die abgetragene Jeans geschlüpft war, tippte Linda längst wild drauflos. Sie trug immer noch ihren verknitterten Schutzanzug. Ohne den Kopf zu heben, sagte sie: »Sieh dir das an! Das Board leuchtet auf!«
Das Messageboard, das er für Whatcomesnext.com eingerichtet hatte, füllte sich mit Beiträgen aus aller Welt. Die Erregung, die Begeisterung, die Faszination schäumten über. Die Zuschauer hatten es genossen, Nummer 4 nackt zu sehen, sie hatten sich an ihren Gymnastikübungen geweidet, sie hatten sich gütlich daran getan, wie sie gleich einem Tier ihr Essen verschlang. Jede Menge Liebesbekundungen.
Nicht wenige wollten viel mehr über Nummer 4 wissen.
Wer ist sie? Wo kommt sie her?
»Ich habe das Gefühl, als wäre sie in meinem Besitz«, schrieb ein Mann aus Frankreich. Linda gab die Nachricht in einen Google-Übersetzungsservice ein, bevor sie die Worte las. »Wie mein Auto oder mein Haus oder meinen Job – ich muss Nummer 4 noch intimer kennenlernen. Sie gehört zu mir.«
Ein anderer User aus Sri Lanka schrieb: »Mehr Nahaufnahmen. Ganz große Nahaufnahmen. Wir müssen ihr rund um die Uhr noch viel näher sein.«
Das war, wie Michael wusste, eine technische Bitte, die sich mit jeder der Kameras im Raum leicht erfüllen ließ. Doch er war nicht so naiv zu glauben, dass »Nahaufnahme« sich auf den Kamerawinkel beschränkte. »Ich glaube, wir müssen uns darüber unterhalten, in welche Richtung das alles gehen könnte«, sagte er zu Linda. »Und ich bin mir verdammt sicher, dass wir das Drehbuch an ein paar Stellen umschreiben müssen.«
Michael starrte auf den weiteren Zustrom an Reaktionen auf ihren Computern. »Es ist wichtig«, sagte er, »dass wir
immer
die Kontrolle wahren. Uns an das Drehbuch halten. Den Plan einhalten. Es muss denen da draußen
spontan
erscheinen«, er deutete auf den Bildschirm, »aber wir bestimmen zu jedem Zeitpunkt die Richtung.«
Linda war zugleich unsicher und aufgeregt. Sie wussten, dass die Grenze zwischen Anonymität und Entdeckung fließend war. Sie wussten, dass sie den Forderungen, die von einsamen Computern kamen, mit Vorsicht begegnen mussten. Linda sprach immer schneller. »Ich denke, Nummer 4 könnte die beliebteste Versuchsperson sein, die wir bis jetzt hatten«, sagte sie. »Das wird uns viel Geld einbringen. Sehr viel Geld. Aber es ist auch gefährlich.«
Michael nickte. Er berührte ihren Handrücken »Wir müssen auf der Hut sein. Sie müssen mehr sehen und erfahren, aber in Maßen.« Er lachte, ohne zu wissen, worüber. »Wer hätte gedacht, dass die Leute von einem Teenager so …« Er überlegte. »Weiß auch nicht,
angetan
sind? Trifft es das? Laufen eigentlich nur Leute rum, die Sechzehnjährige verführen wollen?«
Linda prustete los. »Vielleicht hast du recht«, sagte sie. »Nur dass
verführen
wohl das falsche Wort ist.« Sie sah Michael an und grinste. Die Art, wie er die Oberlippe verzog, wenn er etwas lustig fand, war einfach unwiderstehlich. Sie hatte das Gefühl, dass sie beide die letzten reinen
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