Der Professor
weiter mit dem Finger auf Adrian, während er seine Frage an Terri Collins richtete.
Von der anderen Seite des Zimmers meldete sich Wolfes Mutter: »Was soll das eigentlich? Unsere Serie geht gleich los. Marky, sag den Leuten, dass sie gehen sollen. Gibt’s schon Abendessen?«
Mark Wolfe drehte sich ungeduldig zu seiner Mutter um. Er nahm eine Fernbedienung vom Tisch und schaltete den Fernseher aus. Jerry, Eileen und Kramer verschwanden, wie sehr sie sich auch gerade über irgendetwas in den Haaren lagen. »Wir haben schon gegessen«, sagte er. »Die Sendung geht bald los, und sie gehen sowieso gleich wieder.«
Er funkelte Detective Collins wütend an. »Und, was wollen Sie?«
»Ich glaube, ich stricke noch ein bisschen«, sagte seine Mutter. Sie trat den Rückzug zu dem Sessel mit der Handarbeit und dem Korb mit der Wolle und den Stoffproben an.
»Nein«, sagte Mark Wolfe, »das kann warten.«
Adrian schielte zur Mutter hinüber. Sie hatte ein schiefes Grinsen im Gesicht. Obwohl ihr Ton eben noch besorgt war, grinste sie. Frühe Form von Alzheimer, schoss es Adrian durch den Kopf. Die Schnellfeuerdiagnose hatte einen schalen Beigeschmack; Alzheimer betraf denselben Teil des Gehirns und beeinträchtigte viele derselben Denkprozesse wie seine eigene Krankheit. Sie nahm einfach nur einen schleichenderen Verlauf und war schwerer in den Griff zu bekommen. Seine dagegen war unerbittlich und schnell, doch auch die Frau, die offenbar nicht wusste, ob sie lachen oder weinen sollte, konnte sich dem, was mit ihr geschah, so wenig entziehen wie ein morgendlicher Strand dem allmählichen Anstieg der Flut. Der Blick auf die Mutter war ein wenig wie ein Blick in einen Zerrspiegel.
Er erkannte sich darin wieder, wenn auch nur verschwommen. Ihm kroch die Angst hoch, und er konnte sich von der Frau mit dem wilden Haar nicht lösen, bis er Detective Collins sagen hörte: »Das ist Professor Thomas. Er hilft mir bei einer laufenden Ermittlung. Wir haben ein paar Fragen an Sie.«
Wieder Mark Wolfes festgefahrene Schallplattenrille: »Ich hab nichts Unrechtes getan.«
Die energische Stimme der Polizistin holte Adrian in die Gegenwart zurück, und er konzentrierte sich auf den Sohn. Er hatte viele Stunden damit zugebracht, bei Versuchstieren und freiwilligen Studenten verschiedene Arten und Grade von Angst zu taxieren. Er sagte sich, dass dies hier auf derselben Linie lag. Er beäugte Wolfe und achtete auf verräterische Anzeichen für innere Panik, Verschleierung und Unaufrichtigkeit. Ein Zucken im Auge. Ein Abwenden des Gesichts. Eine Veränderung im Ton. Ein Zittern der Hand. Schweiß auf der Stirn.
»Ihre Bewährungsauflagen verlangen, dass Sie einer geregelten Beschäftigung nachgehen …«
»Ich habe einen Job. Das wissen Sie. Ich verkaufe Elektronik und Haushaltsgeräte.«
»Und Sie dürfen sich nicht in der Nähe von Spielplätzen oder Schulen aufhalten …«
»Haben Sie gesehen, wie ich gegen irgendeine dieser Auflagen verstoße?«, fragte Wolfe.
Adrian registrierte, dass er nicht geantwortet hatte:
Ich war nicht auf einem Spielplatz oder in der Nähe einer Schule.
Er hoffte, dass auch Terri Collins den Unterschied wahrgenommen hatte.
»Und Sie müssen sich einmal im Monat bei Ihrem Bewährungshelfer melden …«
»Tu ich auch.«
Selbstverständlich tust du das,
dachte Adrian.
Der Besuch dort erspart dir den Knast.
»Und Sie müssen sich einer Therapie unterziehen …«
»Sicher. Große Sache.«
Terri legte eine kurze Pause ein. »Wie läuft das denn so?«
»Das geht Sie nichts an«, platzte Wolfe heraus.
Adrian rechnete damit, dass die Ermittlerin ihrerseits in scharfem, forderndem Ton reagieren würde, und war beeindruckt, als Terri Collins eher sachlich, bürokratisch nachhakte: »Sie sind dazu verpflichtet, meine Fragen zu beantworten, ob sie Ihnen gefallen oder nicht – alles andere ist ein Verstoß gegen Ihre Entlassungsauflagen. Ich bin gerne bereit, Ihren Bewährungshelfer anzurufen und mir seine Einschätzung Ihrer Weigerung einzuholen. Ich habe seine Nummer zufällig in meinem Notizbuch.«
Adrian vermutete darin zwar einen Bluff, doch der kompromisslose Ton sagte ihm, dass die bloße Androhung eines solchen Telefonats bereits genügte und der Delinquent das ebenso wusste wie die Ordnungshüterin.
Wolfe zögerte. »Der Doc sagt, meine Therapie sei vertraulich. Ich meine, eine Sache zwischen ihm und mir.«
»In den meisten Fällen stimmt das. In Ihrem nicht.«
Wolfe überlegte. Er warf
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