Der Profi - The Cleaner
und handschriftlichen oder gedruckten beratenden Hinweisen bedeckt. Rasch überflog er verschiedene Zettel. Es waren durchwegs Berichte über lokalisierte Katastrophen in ganz Südostasien.
Er las eben eine Notiz über ein bevorstehendes Treffen, bei dem lokale Gesundheitsfragen besprochen werden sollten, als er innehielt. Er hatte nicht gehört, dass sie den Raum betreten hatte, aber er fühlte dennoch ihre Gegenwart. Langsam drehte er sich um. Auf der Schwelle des Nachbarzimmers stand eine zierliche Asiatin.
Sie sahen einander lange an, beide schienen nicht fähig, sich zu bewegen. Endlich lächelte Quinn.
»Hallo, Orlando«, sagte er.
Sie schüttelte den Kopf und ging langsam auf den Haupteingang zu. »Nicht hier«, sagte sie.
Orlando, in Vietnam als Direktorin Keira Zhang bekannt, führte Quinn hinaus. Der Regen hatte beinahe aufgehört, als sie mit ihm, an mehreren Häuserblocks vorbei, in einen kleinen Park ging. Sie sprach auf dem ganzen Weg kein Wort, und Quinn verinnerlichte, so unauffällig wie möglich, jeden Zentimeter von ihr.
Sie hatte sich kaum verändert in der Zeit, in der er sie nicht gesehen hatte, was jetzt vier Jahre her war. Die roten Glanzlichter waren aus ihren schulterlangen schwarzen Haaren verschwunden. Und sie trug eine schmale Brille mit einem durchsichtigen blauen Plastikrahmen; das war neu. Sonst aber war sie dieselbe. Die Haut von der Farbe gebleichten Kiefernholzes und glatt, abgesehen von einer kleinen Sorgenfalte direkt über der Nasenwurzel, die aber nur erschien, wenn sie die Stirn runzelte. Sie war klein, kaum eins fünfundfünfzig groß, und konnte alles sein, Japanerin, Chinesin oder Philippina bis zur Vietnamesin oder Malayin. Tatsächlich war ihre Mutter Koreanerin, ihr Vater halb Thai und halb irisch-amerikanisch. Quinn gehörte zu den wenigen Menschen, die das wussten.
Sie war seine Freundin, seine Vertraute, seine Kollegin gewesen, als sie beide bei null anfingen und dann in der Branche Erfahrungen sammelten. Sie war in schweren Zeiten für ihn da gewesen, und er hatte versucht, genau so für sie da zu sein. Aber er war dabei nicht so gut gewesen wie sie, das war auch der Grund, warum sie vier Jahre lang nicht miteinander gesprochen hatten.
Es gab auch noch einen anderen Grund. Selbsterhaltung. In ihrer Nähe zu sein weckte in ihm den Wunsch nach etwas, das er nie haben konnte. Er brauchte diese Art seelischer Folter nicht. Orlando war off-limits. Immer. Und würde es, wie er im tiefsten Innern wusste, immer sein.
Als sie im Park endlich ein ruhiges Fleckchen fanden, hatte der Himmel wieder aufgeklart.
»Woher hast du gewusst, wo du mich finden konntest?«, fragte sie. Noch immer kein Lächeln, noch immer kein Wie-geht-es-Dir, nicht einmal ein einfaches Hallo. Natürlich, als sie das letzte Mal miteinander gesprochen hatten, waren sie übereingekommen, einander nie wieder zu sehen. Das war ungefähr das Einzige, worin sie sich an jenem Tag einig gewesen waren.
»Musst du diese Frage wirklich stellen?«, fragte er. »Die Hilfsorganisation ist eine gute Tarnung.«
»Sie ist keine Tarnung«, sagte sie schnell.
Er hob eine Braue. »Jedenfalls nicht ganz.« Hilfsbedürftige zu unterstützen, war eine Konstante in Orlandos Leben. So viel hatte er schon an dem Tag begriffen, an dem sie sich kennenlernten. Daher war es nicht überraschend, dass sie, sogar nachdem sie den Kontakt abgebrochen hatte und an einen Ort gezogen war, wo sie untertauchen konnte, noch immer eine Möglichkeit fand zu helfen, wo sie konnte.
»Warum bist du hier?«, fragte sie.
»Ich wollte dich überraschen.«
Sie sah ihn starr an.
»Und es ist mir gelungen, schätze ich.«
Sie sagte nichts.
Quinn blickte zu Boden, sah dann sie an. »Ich brauche deine Hilfe.«
»Leck mich.«
»Jemand will mich umbringen lassen«, sagte Quinn.
»Mir egal.« Ihr Gesicht blieb ausdruckslos. Keine Spur von Mitgefühl.
»Dir vielleicht. Aber mir nicht.«
»Dann such dir jemand anders, der dir hilft, und lass mich in Ruhe. Du hast versprochen, du würdest mich nicht suchen. Aber wie ich sehe, bist du ein Lügner.«
»Ich wäre nicht hier, wenn ich woandershin könnte.«
Sie schüttelte den Kopf, ihre Augen ließen die seinen nicht los. »Nicht mein Problem.«
»Ich brauche deine Hilfe«, wiederholte Quinn.
»Was für ein Jammer. Du bekommst aber keine. Ende der Diskussion.«
Sie wandte sich ab und wollte sich entfernen.
Sie hatte den Park schon fast verlassen, als er rief: »Wenn ich ihn zurückbringen
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