Der Profi
können. Oder das war es zumindest, was er behauptete.
Aber auch dort fand ich ihn nicht. Ich aß in der Nähe zu Mittag und verbrachte anschließend den ganzen Nachmittag damit, El Cordobés ausfindig zu machen.
Als es schon spät war, gab mir endlich jemand einen Tipp: Ich solle ihn bei Sara suchen.
Sara war eine in die Jahre gekommene Hure, eine skru pellose Geschäftsfrau, die Quintessenz des Stadtvier tels. Sie wohnte ganz in der Nähe, in der Calle Mediodía Chica, etwa vier Querstraßen weiter. Während ich mich dorthin begab, erinnerte ich mich an Apolinar Estilo und die toten vory . Und ich fragte mich erneut, was Rasputin mit alldem zu schaffen haben könnte.
Ich erreichte den Hauseingang und läutete im zweiten Stock. Es dauerte eine ganze Weile, bis sich jemand meldete. Und als Sara endlich verstanden hatte, wer ich war, dauerte es noch länger, bis sie mich einließ. Schon relativ müde, stieg ich die Stufen zu ihrer Wohnung hi nauf. Sara empfing mich an der Tür. Sie trug einen schwarzen Morgenrock, der wunderbar zu ihrer pech schwarzen, mit Haarlack nach hinten gekämmten Mähne passte. Böse Zungen behaupten, dass sie bereits um die siebzig ist. In jungen Jahren muss sie äußerst hübsch gewesen sein. Auch heute noch ziehen die Männer, wenn sie über die Straße geht, vor ihr den Hut. Die Jahre verstreichen nicht umsonst, und Sara hatte schwierige Jahre erlebt. Aber sie alterte in Würde.
»Du bist nicht totzukriegen, was?«, rief sie mir zum Gruß entgegen, mit ihrer vom vielen Singen und Rauchen heiseren Stimme. An ihren Lippen hing eine Havanna.
»Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite.«
»Na, komm schon, gib mir zur Begrüßung einen Kuss, Lucca, ich freue mich, dich zu sehen.«
»Ich weiß. Solange einer wie ich am Leben ist, seid ihr Übrigen fein raus. Der Tod hat genug Arbeit mit Leuten wie mir, da bleibt ihm für euch keine Zeit …«
Sie lachte freiheraus.
»Komm rein!«
Ich fand El Cordobés der Länge nach auf dem Sofa ausgestreckt mit einem Bier und einer Farias-Zigarre in der Hand.
»In den letzten Tagen ist es gefährlich geworden, sich mit dir blicken zu lassen.«
»Ich habe nun mal die Neigung, die Leute aufzumischen.«
»Das ist eines deiner großen Talente. Seit deiner Rückkehr bist du einer ganzen Menge Leute auf die Füße getreten. Außerdem macht das Gerücht die Runde, dass die vory dich, seit du Viktor in den Knast gebracht hast, als toten Mann sehen wollen. Und jetzt, wo du sie in Moskaus Augen als Hanswürste hinstellst, wollen sie dich erst recht aus dem Weg räumen. So mancher denkt, dass du ihm Unglück bringst und dass du etwas mit dem Tod ihrer Kollegen zu tun hast. Nimm dich vor allem vor Gagarin in Acht, er ist eine Giftschlange.«
Ich knurrte mürrisch. Der Hass der spanischen vory auf mich war mir egal. Dafür erfüllte mich die Tatsache, dass ich den Namen des Mörders kannte, mit neuer Energie. Aber ich war mittlerweile schon viel zu lange auf der Straße unterwegs und hatte zu viele Tage zu wenig geschlafen.
»Was dagegen, wenn ich mich setze?«
»Fühl dich wie zu Hause!«, sagte Sara und bot mir eine Tasse Kaffee an. »Willste was zu Abend essen?«
»Nein. Ich hab nicht viel Zeit.«
Ich nahm auf einem Rohrstuhl Platz, der beängstigend knarrte.
»Eins kann ich dir sagen«, erklärte El Cordobés . »Deine Russen streiten sich mit den Bulgaren und den Rumänen, wer dich am meisten hasst. Und die Bullen … sind hinter dir her, als wärst du auf den Stein der Weisen gestoßen!«
»Pah! Ich bin es gewohnt, in die Rolle des Bösewichts gedrängt zu werden. Ist mir völlig schnuppe! Das Einzige, was mich wirklich interessiert, ist, dass du mir alles erzählst, was du über Apolinar Estilo weißt. Angeblich benutzt er auch den nicht besonders originellen Beinamen Estilete .«
El Cordobés lehnte sich gemütlich zurück und zog genüsslich an seiner Farias . Dann kam sein immerwährender Zahnstocher zum Einsatz, mit dem er, während er über seine Antwort nachdachte, zwischen seinen unregelmäßigen gelben Zähnen herumstocherte. Zur Besänftigung meiner Magensäfte steckte ich mir erst mal eine Zigarette an.
»Natürlich kenne ich den. Ein mieser Typ. Der reinste Abschaum!«
Wir sahen uns einige Sekunden wortlos an.
Dann rief El Cordobés mit erstauntem Gesicht: »Donnerwetter! Estilete ist der Mörder deiner Russen …«
Ich zwinkerte ihm zu.
»Der hat die eine Hälfte seines Lebens auf der Müll halde verbracht und die andere im
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