Der Profi
Knast. Mitleidslos, keine Freunde, keine Skrupel. Legionär und Söldner in mindestens einem halben Dutzend Kriegen in Dritte-Welt-Staaten.«
»Wo finde ich ihn?«
Da warf El Cordobés den Kopf zurück und brach in schallendes Gelächter aus.
»Corsini gegen Estilo! Mann, das ist ja wie Muhammad Ali gegen Joe Frazier. Kannst du dich noch daran erinnern? War im März einundsiebzig. Ich war damals achtzehn. Was für eine Nacht … Millionen von Menschen auf der ganzen Welt verfolgten den Kampf im Fernsehen oder vor dem Radio. Ali war eine Boxer mit Klasse, blitzschnell, mit einer Linken, die Gold Wert war. Frazier war ein Schläger, eine Bestie mit einem vernichtenden Linkshaken und einem unbezwingbaren Willen. Er preschte wie ein wild gewordener Stier aus seiner Ecke. Er genoss es, wenn er verprügelt wurde. Und wenn ihn jemand niederstreckte, wuchs sein Zorn nur noch mehr. Eigentlich hätte Ali aufspringen müssen, um Frazier zu zermürben und ihn mit seinem formidablen Tänzeln zu verwirren. Stattdessen baute er sich in Erwartung seines Gegners in der Mitte des Rings auf. Bum! Bum! Seine Fäuste wechselten sich ohne Pause ab. Fünfzehn Runden. Bum! Zwei Kolosse, entschlossen, nicht nachzugeben. Es heißt, es wäre der größte Kampf des Jahrhunderts gewesen. Mit wem von beiden würdest du dich identifizieren, Lucca? Mit Ali oder mit Frazier?«
»Muhammad Ali ging in der fünfzehnten Runde zu Boden.«
Das Gesicht in eine Wolke aus Tabakrauch gehüllt, nickte El Cordobés schweigend.
»Allerdings«, fuhr ich fort, »kehrte Ali zurück und gewann die beiden anschließenden Kämpfe gegen Frazier. Im Jahr 1974 im Madison Square Garden und 1975 in Manila. Also Cordobés , wo finde ich Estilete ?«
El Cordobés sammelte seine Spucke im Mund, um sie anschließend in eine Kaffeetasse zu befördern.
»Ihm hängt der Ruf an, dass ihm junge Kerle gefallen. Wenn er in der Stadt ist, wird er sich früher oder später im Szeneviertel von Chueca blicken lassen.«
»Aber es gibt viele Möglichkeiten, einen Stricher aufzugabeln, Cordobés ! Annoncen im Internet, in der Zeitung, in Saunas, an der Puerta del Sol …«
»Tut mir leid, da muss ich passen!«
Ich machte eine ungeduldige Miene.
»Du rückst nicht gerade viel raus heute!«
El Cordobés schüttelte den Kopf.
»Das ist alles, was ich weiß.«
»Okay, Cordobés. Aber es wäre mir lieb, wenn du der Polizei gegenüber diesmal etwas verschwiegener wärst als beim letzten Mal!«
»Du weißt doch, Lucca, mein Mund ist verschlossener als der Hintern einer Nutte, die für ihre Dienste noch nicht entlohnt worden ist …«
Ich lachte:
»Ja, ja, weiß ich! Dir geht eben immer dann die Muffe, wenn du deine eigenen Interessen inGefahr siehst. Dann löst sich deine Zunge …«
Ich stand auf und verabschiedete mich von Sara. Ich wollte gerade durch die Tür, als El Cordobés mir etwas hinterherrief.
»Du hast meine Frage noch nicht beantwortet: Ali oder Frazier ?«
»Tyson!«, sagte ich. »Wenn ich Estilete schnappe, beiße ich ihm die Halsschlagader durch.«
Während des Abendessens telefonierte ich mit Boris Iwanowitsch. Ich versicherte ihm, dass die Unternehmensberater mit der gebotenen Eile an dem Bericht über Pink Palace arbeiteten und dass wir inzwischen den Namen des Mannes kannten, der seine Leute exekutiert hatte, obwohl wir nicht wussten, was das Motiv dafür war. Verdammt, dachte ich plötzlich. Und wenn es sich um eine persönliche Rache handelt? Vielleicht hatten die toten vory etwas Schreckliches getan, was Estilete dazu veranlasste, sein ganz persönliches Schlachtfest zu feiern. Vielleicht hatten sie seine Frau entführt oder seine Tochter vergewaltigt, oder sie hatten ihm die Brieftasche geraubt … Typen wie er greifen in der Regel immer zur Selbstjustiz. Vielleicht hatte er sogar einen guten Grund dafür gehabt, seine Feinde hinzurichten. Das wäre allerdings kein Hindernis für mich, wenn der Moment ge kommen wäre, den Abzug meiner Glock zu betätigen. Doch in diesem Fall hätten weder Rasputin , Moscow Hotel Investments noch Pink Palace etwas mit den Morden zu tun .
Ich versicherte Boris, dass ich den Killer mit Nachdruck verfolgte und ihn in kürzester Zeit dingfest machen würde. »Wenn du ihn hast«, bekräftigte Boris, »möchte ich, dass er alles singt, was er weiß!« Das hoffte ich ebenfalls. Denn allem Anschein nach war er ein harter Knochen, aus dem nicht so einfach etwas herauszubringen war. Dafür bedürfte es schon eines Fläschchens
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