Der Profi
Eleuterio! Ich hatte es fast gescha…«
» Deine Einstellung?«, fragte Barbara.
»Hm?«
»Du hast da eben › deine Einstellung‹ gesagt«, erklärte Barbara mit lauterer Stimme.
»Nein, nein! Das ist mir so rausgerutscht. Natürlich › unsere ‹. Du weißt doch, dass wir das Ding gemeinsam durchziehen.«
Barbara presste die Lippen zusammen:
»Ja, besser so …«
»Das Unglaubliche daran ist, dass die Bosse in den USA Eleuterio freie Hand lassen, Brown & McCombie in Grund und Boden zu richten. Hab ich dir schon erzählt, dass die Auditoren mit ihrer Arbeit inzwischen fertig sind? Ihre Ergebnisse sind verheerend. Eleuterio hat bei allen wichtigen Investitionen der letzten Jahre danebengegriffen. Eine Katastrophe! Dieses Jahr können wir uns unsere Prämie an den Hut stecken.«
Ein paar Cognactropfen spritzten auf den Tisch. Mit einer mechanischen Bewegung griff Barras nach einer Serviette und wischte über die Glasplatte.
»Was mich am meisten ärgert, ist, dass ich die stellvertretende Geschäftsleitung bei Accenture praktisch in der Tasche habe, und in der Zielgeraden kommt plötzlich alles durcheinander. Wie zum Teufel hat Eleuterio nur erreicht, dass Repsol …?«
Da kam ein Kellner an ihren Tisch und erkundigte sich, ob sie noch einen Drink wollten. Sein Blick fiel in Barbaras Ausschnitt. Barras, der ganz in seine Sorgen vertieft war, bekam davon nichts mit.
»Andrés, weißt du etwas von einem ›geheimen Projekt‹ innerhalb von Brown & McCombie ?«
Barras fixierte Barbara.
»Ein geheimes Projekt ?«
»Ein Kollege, Fuad Gómez, hat sich gestern früh mit Zabaleta getroffen …«
»Ja und?«
»Seit wann bitte gibt sich Zabaleta mit Juniorberatern ab? Gómez hat mir gesagt, dass sie sich jeden Vormittag treffen, offenbar geht es um den Einkauf mehrerer Hotels. Weißt du was davon?«
Barras zögerte einen Augenblick, bevor er antwortete:
»Keine Ahnung. Worum geht es denn?«
»Ich dachte, du weißt vielleicht mehr darüber.«
Barras versank erneut in Gedanken. Barbara bohrte nicht nach. Es passierte öfter, dass er für einen Moment in Schweigen verfiel, während er sich seine nächsten Schritte zurechtlegte.
»Finde du es heraus«, sagte er schließlich. »Ich denke, dass es sich um nichts Wichtiges handelt. Aber dass Zabaleta sich persönlich bestimmter Projekte annimmt, ist irgendwie verdächtig. Vielleicht ist es eine private Geschichte … Hmm, sollte er Personal von Brown & McCombie etwa für eigene Geschäfte einsetzen? So was wäre völlig gegen unsere Geschäftsordnung!«
»Ja, mache ich«, antwortete Barbara. »Andrés …«, fuhr sie fort, wobei ihre Stimme plötzlich zuckersüß klang, »ich hab jetzt keine Lust mehr, über Geschäftliches zu reden. Sagtest du nicht, du hättest eine Suite reserviert …?« Dann näherte sie sich seinem Ohr und flüsterte: »Lass uns nach oben gehen, ich habe die Spitzenunterwäsche an, die du mir neulich geschenkt hast …«
Am nächsten Tag machte ich mich schon früh am Morgen auf die Suche nach meinem persönlichen Informanten. Wie üblich landete ich am Bahnhof Atocha, wo mein Freund am liebsten arbeitete. Aber es schien, als wäre er vom Erdboden verschluckt worden. Ich hörte mich unter seinen Leuten um, doch niemand wusste etwas über seinen Verbleib. Normalerweise war es nicht besonders schwierig, El Cordobés zu finden, er war ein Gewohnheitstier. Aber wenn die Situation es erforderte, verstand er es unterzutauchen. Hatten die Ereignisse inzwischen so hohe Wellen geschlagen, dass er den Kontakt mit mir zu vermeiden suchte? Pech für ihn. Denn ich war entschlossen, ihn zu finden!
Ich näherte mich einer bekannten Kneipe an der Plaza del Humilladero im La-Latina-Viertel, einer einst rustikalen Schankstube, die vor kurzem rundum renoviert worden war. El Cordobés pflegte dort seinen Aperitif einzunehmen. Die Kneipe war ein fester Bestandteil seiner üblichen Runde: von Atocha zur Plaza del Humilladero, von dort, wenn die Nacht hereinbrach, nach Malasaña und dann, auf einen Absacker, wieder zurück nach La Latina. El Cordobés durchstreifte das altstädtische Madrid, sog es in sich auf, ließ sich von seinem Ambiente, seinem Klatsch und Tratsch, seinen Vertraulichkeiten, seinen Ängsten und seinen Abenteuergeschichten durchdringen. El Cordobé s sagte immer, der Puls der Stadt dringe durch seine Schuhsohlen direkt bis in sein Inneres. Seine Schuhsohlen, die stets abgelaufen waren, um den Kontakt mit der Stadt besser erspüren zu
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