Der Profi
Schweinegeld …«
»Also wirklich, Fuad! Du hast ja völlig den Verstand verloren«, rief sein Freund besorgt.
»Fuad, hier steckst du also! Ich dachte schon, du würdest nicht kommen«, rief plötzlich jemand.
Es war Barbara. Fuad grinste sie dümmlich an.
»Ich bin fix und fertig«, sagte er dann. »Endlos viele Meetings. Aber die Ausstellung hätte ich mir um nichts in der Welt entgehen lassen.«
Er hob das Weinglas in die Richtung eines der Gemälde. Seiner Meinung nach war das Bild nicht einmal den Rahmen wert, in dem es steckte. Aber er sagte das genaue Gegenteil:
»Interessantes Bild …«
Er hoffte flehentlich, dass Barbara keine tiefergehende Einschätzung des Kunstwerks von ihm verlangte.
»Gefällt es dir wirklich?«, fragte Barbara.
»Ja klar.«
»Ich wusste gar nicht, dass du was von Kunst verstehst.«
»Du weißt ja, Barbara: »Die Kunst …« – dann gab er einen Satz zum Besten, den er erst ein paar Stunden zuvor auswendig gelernt hatte – »… ist die Religion der Intellektuellen!«
Marcial sah seinen Freund an, als sei er ein Marsmensch.
»Was soll das denn heißen?«
»Jemand hat einmal behauptet, die Kunst sei eine Art, sich der Unsterblichkeit zu nähern. Nicht nur weil ein Kunstwerk der Nachwelt erhalten bleibt, sondern auch weil es ein Moment erhebender Schöpfung ist … Allerdings, wenn mich mein Vater so reden hörte, würde er mich wahrscheinlich als Gotteslästerer beschimpfen.«
Da klappte Marcials Unterkiefer endgültig nach unten.
»Wie interessant!«, sagte Barbara. »Hört mal, was ist eigentlich mit euch los? Ich hab noch nicht einmal einen Begrüßungskuss bekommen.«
Gehorsam folgten die beiden ihrer Aufforderung.
»Und jetzt kommt mit. Ich will euch meine Schwester vorstellen, die Künstlerin in unserer Familie.«
Sie folgten ihr zu einer Frau, die zwei oder drei Jahre älter zu sein schien als Barbara. Sie nahm gerade das begeisterte Lob eines angegrauten Ehepaars entgegen. Während sie darauf warteten, an die Reihe zu kommen, packte Marcial seinen Freund unter dem Arm.
»Sag mal, Fuad. Hab ich, was euch beide angeht, irgendwas verpasst? Willst du mir nicht erklären, was …«
»Barbara versucht mich auszuspionieren«, gestand Fuad. »Und das macht sie blendend. Mata Hari würde neben ihr erblassen!«
»Was hast du ihr erzählt?«, erkundigte sich Marcial.
»Nichts. Reg dich nicht auf. Aber die Versuchung …«
»Also Fuad. Jetzt erzähl schon!«
Sie wurden erneut von Barbara unterbrochen:
»Darf ich euch meine Schwester vorstellen? Das hier ist mein Freund Fuad, er versteht viel von Kunst. Er hat mir gesagt, dass ihn deine Bildern begeistern.«
Die Schwester war weder so hübsch wie Barbara, noch besaß sie deren perfekte Gesichtszüge. Aber sie strahlte die gleiche Aura aus wie der Rest der Familie. Und das wollte was heißen.
»Malst du etwa auch?«, erkundigte sich Barbaras Schwester in selbstgefälligem Tonfall.
Fuad setzte eine gleichgültige Miene auf. Er wollte lässig wirken und seiner angeblichen Erfahrung mit Pinsel und Palette die Wichtigkeit nehmen.
»Gelegentlich. Aber nur als Amateur! Für mehr reicht mein Talent nicht.«
»Und was malst du so?«
Marcial schluckte.
»Ich stamme aus Nordafrika«, sagte er dann. Dabei versuchte er seiner Stimme einen interessanten Tonfall zu verleihen. Hatte er etwa unsicher geklungen? »Ein bisschen Ethno-Kunst. Arabische Moderne. Ist schwer zu definieren …«
»Ach ja? Kennst du Ammar Alshowa? Er ist ein Freund von mir. Er hatte erst vor kurzem eine Ausstellung im Arabischen Kulturzentrum von Madrid. Ich muss euch unbedingt bekannt machen!«
»Ja, ja … gut«, stotterte Fuad.
Ein Kellner erschien, um der Gruppe Schnittchen und Kanapees anzubieten.
Dann sagte die Künstlerin: »Barbara ist von ihrem Job bei Brown & McCombie ja ganz begeistert. Aber ich male lieber. Obwohl ich es mir spannend vorstelle, in den höheren Sphären eines Weltunternehmens zu arbeiten.«
»Und was für hohe Sphären …!«, pflichtete Barbara bei. »Marcial, hat Fuad dir schon erzählt, dass er den ganzen Tag mit Zabaleta in Meetings verbringt? Fuad ist der aufsteigende Stern am Himmel von Brown & McCombie !«
Während Marcial versuchte das Gesprächsthema zu wechseln, musterte Fuad Barbaras Schwester eingehender. Die beiden jungen Frauen versprühten Glamour, und das ließ ihn kaum mehr zur Ruhe kommen. Was für ein erhebendes Gefühl es doch war, im Mittelpunkt des Interesses zweier solcher Frauen zu stehen!
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