Der Profi
dass es nicht so weit kommt!«, sagte ich anteilnehmend.
Aus der Art, wie sie die Augenbrauen hochzog, schloss ich, dass sie mir meine guten Absichten nicht wirklich abnahm.
»Ich meine es ernst …«, versicherte ich.
Wir liefen eine Weile schweigend nebeneinanderher.
Dann sagte Cruz: »Gestern Nacht wurde ein Mann namens Apolinar Estilo tot aufgefunden …«
»Zu behaupten, es täte mir leid, käme einer Übertreibung gleich«, erwiderte ich.
»Kannten Sie ihn?«
»Nicht besonders gut«, antwortete ich. »Aber ich kenne seine Geschichte.«
»Wie haben Sie ihn gefunden?«
Ich vergrub die Hände in den Hosentaschen. Der sonnige Morgen schaffte es nicht, mich aufzuwärmen.
»Sie wollen mich doch nicht eines Verbrechens bezichtigen?«
Cruz kniff die Augen zusammen:
»Doch, des Mordes an ihm! Ich wiederhole meine Frage gerne noch einmal: Woher wussten Sie, wo er wohnt?«
»Navarro, ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden!«
»Die Spurensicherung ist bereits in Apolinars Wohnung bei der Arbeit. Erfahrungsgemäß stoßen die immer auf irgendwas. Die geringste Spur, die Sie verrät, Corsini, bringt Sie mindestens bis ins Rentenalter in den Knast.«
Cruz sagte den Satz nicht aus Bösartigkeit, sondern eher wie jemand, der eine unumstößliche Wahrheit feststellt. Oder sie sagte es mit böser Absicht, und ich wollte es nicht wahrhaben, weil sie mir im Grunde sympathisch war.
»Sie zerbrechen sich über das Schicksal eines Ungeziefers wie Estilo aber mächtig den Kopf.«
»Wir sind schließlich nicht im Wilden Westen, Corsini.«
»Natürlich nicht. Aber er war ein Killer, und jetzt ist er tot. Dadurch wurden Menschenleben gerettet.«
»Sie können das Gesetz nicht für sich selbst in Anspruch nehmen und damit machen, was Sie wollen, Corsini. Aber was soll’s, ich werde jetzt nicht mit Ihnen darüber streiten. Das wäre reine Zeitverschwendung. Nennen Sie mir endlich den Namen des Polizisten, der für Zagonek gearbeitet hat?«
Wir blieben vor einem Kiosk stehen und kauften zwei Flaschen Wasser.
» Rasputin ? Genau da liegt der Hund begraben, Hilfskommissarin! Ich habe nicht die geringste Ahnung, wer hinter diesem Namen steckt. Ich habe es Ihnen bereits gesagt, aber Sie wollen mir ja nicht glauben.«
»Wissen Sie, was ich glaube?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Dass Sie genau wissen, wer Rasputin ist! Aber er ist für die Mafia ein Störfaktor, und Sie wollen wieder einmal Selbstjustiz üben. Ziehen Sie jetzt bloß nicht so ein Gesicht …«
»Dieser Rasputin ist ein völlig frustrierter Typ. Er hat Zagonek zu erpresssen versucht, weil er mehr Geld von ihm wollte. So einer arbeitet nie wieder für uns!«
»Sie werden doch jetzt keine Dummheiten machen, Corsini?«
»Meiner Meinung nach spielt Rasputin in dem ganzen Durcheinander keine wirklich wichtige Rolle. Aber offenbar halten Sie mich für einen Vollidioten – glauben Sie im Ernst, ich würde einen Polizisten umlegen? Wenn ich schon so lange nicht mehr im Gefängnis war, dann nur deshalb, weil Ihre Vorgesetzten und meine Bosse es so wollen: Es ist ein Geben und Nehmen. Oder sagen wir, ein Abkommen unter Gentlemen. Ich kann jedem nützlich sein. Und ich beziehe mich damit nicht auf Ihren Kommissar Jarrete, sondern auf die wirklich hohen Tiere, die wirklich einflussreichen Männer. Aber wenn einer einmal einen Bullen umgebracht hat, lösen sich alle Abmachungen in Luft auf!«
Ich bemerkte eine Veränderung in Cruz’ Gesicht. Sie sah mich nicht mehr so streng an. Vielleicht war sie auch bloß zu erschöpft. Wir würden niemals Freunde werden. Dafür hatte ich aber in diesem Moment den Eindruck, dass sie uns auch nicht als Feinde betrachtete.
»Und was haben Sie jetzt vor, Corsini?«
»Das weiß ich noch nicht. Jedenfalls werde ich nochmals Zagoneks Unterlagen durchstöbern für den Fall, dass ich etwas übersehen habe, was mir einen Hinweis auf Rasputins Identität geben könnte.«
»Kann ich Ihnen dabei helfen?« Plötzlich zeigte sich die Andeutung eines Lächelns auf ihrem Gesicht.
Wir mussten beide lachen.
»Nein. Aber danke für das Angebot!«
Dann verfielen wir in ein paar angenehme Sekunden des Schweigens.
Nach einer Weile sagte sie: »Wir haben immer geglaubt, dass alle Fäden bei Timofeew zusammenlaufen …«
»Timofeew? Das habe ich am Anfang auch gedacht.«
»Jemand muss Estilos Honorare ja bezahlt haben!«
»Genau.«
Ich hatte mir längst selbst Gedanken darüber gemacht: Ein Hurensohn wie Estilo konnte bloß ein Söldner sein,
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