Der Profi
fiel über Cruz her und riss es ihr mit einem Schlag aus der Hand. Der andere Russe stellte sich vor sie und bedrohte sie mit seiner Pistole.
»Keine Bewegung, Cruz!«
Zorn blitzte hinter ihren Brillengläsern auf.
»Damit verbesserst du deine Lage kein bisschen«, fauchte sie mit kaum hörbarer Stimme.
»Du lässt mir keine andere Wahl. Ich muss meinen Auftrag beenden und möchte nicht wegen Rasputins Machenschaften in den Knast! Jeder einzelne eurer superschlauen Richter würde mir die Schlinge um den Hals legen, ohne vorher meine Unschuld untersucht zu haben. Selbst wenn ich an anderen Verbrechen schuld bin, hierfür kann ich nichts! Wenn du keine Dummheiten machst, werde ich dir kein Haar krümmen. Aber vergiss eins nicht: Ich habe in dieser Woche schon zwei Personen umgebracht.«
Es war eine völlig absurde Drohung, aber in diesem Augenblick fiel mir einfach nichts Besseres ein.
Fünfzehn Minuten später rief ich Fuad an, um ihn zu warnen, dass sein Leben in höchster Gefahr schwebe. Die Stunde war gekommen, mein Versprechen einzulösen, das ich den Göttern gegeben hatte. Ich musste es mehrmals versuchen, bis Fuad abnahm. Dem Lärm im Hintergrund nach zu urteilen hatte ich meinen Freund in irgendeiner Cocktail-Bar erwischt.
»Ja?«
»Fuad, bist du’s?«
»Ja natürlich.«
»Ich bin’s, Lucca Corsini. Wo steckst du gerade?«
»In einer Bar. Warum? Na ja, besser gesagt, auf der Kunstausstellung einer Freundin. Ich kann gerade nicht über geschäftliche Dinge reden. Der Bericht für Pink …«
»Fuad, du musst jetzt genau das tun, was ich dir sage. Damit du auch morgen noch am Leben bist! Schnapp dir alle Informationen zu Pink Palace und verschwinde von dem Ort, wo du gerade steckst. Fahr unter gar keinen Umständen mit dem Auto. Nimm die U-Bahn oder den Bus und fahr zu einer Bar am andern Ende der Stadt. Wenn du dort angekommen bist, rufst du mich an. Aber benutz nicht dein Handy! Ruf mich von einer Zelle aus an. Und vergiss nicht, dir meine Nummer aufzuschreiben.«
Nach langem Schweigen meldete sich Fuads Stimme zurück. Er klang furchtbar aufgeregt, obwohl der Eindruck durch die Unterhaltungen im Hintergrund etwas gedämpft wurde.
»Verdammt! Ich wusste, dass so etwas passieren würde. Verdammt, verdammt! Bin ich in Gefahr?«
»Ja, du schwebst in Lebensgefahr. Und jetzt mach, dass du wegkommst!«
Es war nicht einfach, Cruz davon zu überzeugen, in eines von Gagarins Fahrzeugen zu steigen – es handelte sich um einen hochzylindrigen Geländewagen. Sie protestierte ebenfalls heftig, als ich Gagarins Handlangern den Befehl erteilte, die Leiche fortzuschaffen.
»Wie kannst du es bloß wagen?«, zischte sie.
»Cruz, denk doch mal nach. Überall hier sind unsere Spuren verteilt. Wir lassen die Leiche einfach in der Nähe eines Krankenhauses zurück.«
»Bei welchem Krankenhaus?«
Ich hob die Hände.
»Ist doch völlig egal! Beim nächsten, an dem wir vorbeikommen.«
»Warum müssen wir denn …?«, wollte Gagarin wissen.
»Mach, was ich dir sage! Und passt auf, dass niemand das Nummernschild erkennt.«
»Was?«
Erbittert sagte ich:
»Passt auf, dass in der Nähe des Krankenhauses keine Überwachungskameras auf euch gerichtet sind. Muss man euch denn alles erklären? Was seid ihr eigentlich: Mafiosi oder Grundschulkinder?«
»Sollen wir ihn auf den Gehsteig legen?«
»Verflucht, Gagarin. Lasst ihn einfach, wo ihr wollt. Und sorgt endlich dafür, dass der Raum hier blitzblank sauber wird! Und du, Cruz, unterbrich uns nicht ständig …«
»Du bist ein Schuft!«, sagte sie.
»Ich weiß. Das bekomme ich öfter zu hören. Aber jetzt werden wir als Erstes Palacios einen Besuch abstatten.«
Cruz saß am Steuer, also steckte ich meine Glock wieder ein: Mit auf sie gerichteter Waffe wirkte ich bloß lächerlich. Meine Schulter schmerzte höllisch. Fast wären mir die Tränen gekommen.
»Du siehst ja ganz schön jämmerlich aus«, sagte Cruz auf einmal.
»Danke für die Blumen!«
»Wohin soll’s also gehen?«
»Palacios wohnt in einer Villa außerhalb von Madrid, in der Nähe des Pink Palace , an der Autobahn Richtung Burgos. Wenn wir an die Abzweigung kommen, geb ich dir Bescheid.«
Schweigend legte Cruz den ersten Gang ein.
»Weißt du, was meiner Meinung nach geschehen wird?«, fragte Cruz, als wir die Hälfte des Wegs zurückgelegt hatten.
Ich knurrte:
»Ich halte grundsätzlich nicht viel von Prognosen, noch weniger, wenn sie sich auf die Zukunft beziehen …«
»Du wirst aus
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