Der Profi
angesehener russischer Geschäftsmann. Und das sind zwei seiner engsten Mitarbeiter.«
Die drei Russen sahen mich fassungslos an.
»Señor Gagarin höchstpersönlich?«, fragte Cruz, während sie ihn verächtlich musterte. »Ich habe Sie schon auf vielen Abbildungen gesehen. Übrigens sehen Sie auf keiner davon besonders vorteilhaft aus. Ihre … Mitarbeiter kenne ich nicht, ich gehe einfach mal davon aus, dass es sich um Ihre torpedy handelt. Und wer ist der da?«
Jetzt kam der heikelste Moment. Wenn Cruz jetzt cool blieb, würde alles zu einem guten Ende gelangen.
»Das ist einer meiner Entführer. Ihm ist ein Fehler unterlaufen. Und ich habe aus Notwehr gehandelt …«, fügte ich mit einer Lockerheit hinzu, die meine tatsächliche Verfassung in diesem Moment ganz und gar nicht widerspiegelte.
»Hast du den mit seiner Frau betrogen, oder hast du ihm Geld geschuldet?«, wollte Cruz wissen, ohne sich der Leiche zu nähern.
Auch die Russen standen jetzt da wie angewurzelt. Natürlich hätte ich mich über etwas mehr Anteilnahme an meinem eigenen Zustand gefreut. Aber das war wohl zu viel erwartet.
Dann sagte ich: »Apolinar Estilo hat für diese Leute gearbeitet …«
Cruz zog ein überraschtes Gesicht:
»Na sieh mal einer an. Dann warst du also der Nächste auf der Liste?«
»Na ja, nicht wirklich. Ich glaube, in meinem Fall haben sie improvisiert. Ich hatte mich für sie zum Störfaktor entwickelt. › Wer ins Wespennest sticht ‹, du erinnerst dich?«
»Wespennest«, wiederholte Cruz. »Ja, ja natürlich! Hast du eine Ahnung, wer sie waren? Ich nehme mal an, du würdest es mir nicht sagen, wenn …«
» Rasputin .« Ich hielt den Atem an.
Cruz hätte ohnehin im nächsten Augenblick gemerkt, dass der Tote zu ihrer eigenen Berufsgruppe gehörte. Gagarin sah man an, wie unbehaglich ihm zumute war, aber er war gerissen genug stillzuhalten.
Cruz flüsterte:
» Rasputin ? Der Kripomann, der für Zagonek gearbeitet hat? Bist du sicher?«
»Hundert Prozent!«
»Woher weißt du, dass er es war?«
»Weil er es selbst gesagt hat.«
»Beschreib ihn mir …«
»Mittelgroß und übergewichtig. Um die fünfzig. Kurzes Haar, klebt ihm am Schädel. Kleine Augen. Dicke Augensäcke. Sein Atem stinkt nach billigen Zigaretten. Faltiger grauer Anzug. Keine auffälligen Narben oder derlei im Gesicht.«
Cruz verinnerlichte die Beschreibung. Dann legte sich ihre Stirn in Falten:
»Wenn er für Zagonek gearbeitet hat, warum hat er dann Estilo engagiert, um Zagonek umzubringen?«
»Er hat die Seiten gewechselt. Inzwischen bezahlt ihn ein gewisser Palacios.«
»Wer ist das?«
Ich presste die Lippen aufeinander. Die bloße Erinnerung an Palacios brachte mein Blut zum Kochen.
»Oscar Palacios ist der Besitzer einer großen Bordell kette an spanischen Autobahnen, die unsere vory aufkaufen möchten. Ein Unglücksrabe, der nie wirklich gelernt hat zu arbeiten und Papis Geld für Mädchen, Koks und Partys verpulvert. Sein alter Herr hat ein regelrechtes Bordell-Imperium aufgebaut, aber Junior hat kein Interesse daran, es weiterzuführen. Schweißtreibende Arbeit scheint seinem sonnengebräunten Äußeren nicht zu bekommen. Allerdings verstehe ich auch nicht so ganz, warum er deshalb die vory umbringen wollte. Ich schätze, ich kenne nicht die ganze Wahrheit. Hab ich Recht, Michail?«
Gagarin bewegte sich unruhig hin und her:
»Aber Lucca ist Detektiv von Mafia!«, rief er mir ins Gedächtnis zurück.
»Wie ist Palacios denn auf Rasputin gestoßen?«, fragte Cruz.
»Wie man eben jemanden ausfindig macht, der sich für Geld verkauft. Rasputin bietet einen bestimmten Service an, und Palacios verfügt über das nötige Geld, um dafür zu bezahlen. Es ist das Gesetz von Angebot und Nachfrage. So haben sie sich gefunden …«
»Das klingt verdammt nach einem Ammenmärchen«, bemerkte die Hilfskommissarin. Sie schwieg einen Moment, um die jüngsten Informationen zu verdauen. »Wenn Palacios und Rasputin einen vory nach dem anderen umlegen, warum haben sie dich dann nicht schon längst gekillt? Wozu dieses ganze Theater mit Entführung und Folter?« Und dann erkundigte sie sich endlich mit, wie ich fand, unverhohlener Sorge: »Wie fühlst du dich überhaupt, Corsini?«
»Ich werde mich schon wieder erholen. Sie wollten einfach herausfinden, wie viel ich weiß. Und was weißt du?«
Cruz zuckte zusammen.
»Ich?«
»Ja. Sie hatten riesiges Interesse an dir«, bekräftigte ich. »Nachdem Estilo tot war, sind sie nervös
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