Der Profi
Pärchen, sie gehören zu den aufrichtigsten, rechtschaffensten und großherzigsten Menschen, die ich kenne. Ich hab von klein auf lernen müssen, dass es im Leben vor allem auf Ethik, Respekt und Nächstenliebe ankommt. Und ich bin intelligent genug, um zu wissen, dass solche Werte weder von sexuellen oder religiösen Neigungen noch von der Melaninproduktion abhängig sind. Ob du schwul bist oder Linkshänder, das kommt für mich aufs Gleiche raus!«
Der Wagen hatte an einer Ampel gehalten. Da drehte sich Valls überrascht zu Cruz herum.
»Wie gesagt, Kollege. Mir ist gleich, mit wem du ins Bett gehst. Allerdings würde es mich stören, wenn du in beruflichen Angelegenheiten mir gegenüber nicht ehrlich wärst. Noch Fragen?«
Valls schüttelte verblüfft den Kopf.
Hier stoßen wir auf einen der großen Widersprüche in Cruz Navarros Verhalten: Sie ist eine Frau mit vielen Gesichtern, ihre eigene Vergangenheit macht ihr zu schaffen, häufig schüchtern ihre eigenen Entscheidungen oder Zweifel sie ein. Aber dann beweist sie plötzlich – und zwar ganz überraschend – Tatkraft und Entschlossenheit.
Zehn Minuten später, als sie in einer Bar vor zwei dampfenden Tassen Kaffee saßen, bekam Cruz einen Anruf aus Palma. Auf ihrem Handy-Display erschien Moncadas Name.
»Hi, Javi, wie läuft’s?«
»Bei euch in Madrid irgendwas Neues?«
»Heute Morgen hab ich dem Chef eine Mail mit den neuesten Ergebnissen geschickt. Eine Kopie ging an dich.«
»Hab ich gelesen«, bestätigte Moncada. »Sonst noch was?«
»Ein Kollege der UDYCO hat einen Informanten, der uns bestätigt hat, dass die vory auch nicht wissen, was eigentlich abläuft. Ein Italiener, der für die Russen arbeitet, hat ebenfalls bei ihm nachgefragt. Wir haben seine Fährte bereits aufgenommen. Und was habt ihr?«
»Wir schuften hier den ganzen Tag, während du dich in der Hauptstadt vergnügst. Aus der George-Sand -Siedlung gibt’s praktisch nichts Neues. Der Mörder hat sich ziemlich umsichtig verhalten, außerdem haben ihn die Wetterverhältnisse begünstigt: Erinnerst du dich, wie es in der Nacht geschüttet hat? Der Regen hat sämtliche Spuren verwischt, die Spurensicherung hat kaum was Nützliches finden können. Ein paar schlecht erkennbare Schuhabdrücke. In Kürze bekommst du mehr Details. Unsere Ballistiker nehmen an, dass es sich bei der Waffe um einen Granatwerfer aus heimischer Fabrikation gehandelt haben könnte. Leider sind kaum Spuren vorhanden. Wir haben inzwischen auch Interpol eingeschaltet. Sie sollen für uns prüfen, ob in letzter Zeit irgendwo die entsprechenden Granaten verkauft oder geklaut worden sind.«
Moncada legte eine Pause ein, um Luft zu holen. Dann fuhr er fort:
»Die Mietwagenagenturen haben uns Namen geliefert, aber auch dort geht es schleppend voran. Ich hab den Eindruck, die haben die Hälfte der Daten nur auf Papier vorliegen und sind zu faul zum Suchen! Ich werde einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss beantragen. Ich hoffe, in ein paar Tagen sind wir so weit. Die vom Flughafen haben sorgfältiger gearbeitet. Charly hat die ganze Nacht durchgeackert, dabei sind wir auf etwas Interessantes gestoßen …«
»Erzähl schon!«, drängte Cruz.
»Wladimir Matewosoritsch Timofeew, alias Timo . Sagt dir der Name was?«
»Klar. Das ist einer der vory von Madrid.«
»So ist es. In den 90er-Jahren hat er sich mit dem Ver kauf von Heizöl ein goldenes Näschen verdient. Das konnte man damals in Russland noch steuerfrei erwerben, anschließend hat er es als Dieseltreibstoff für Pkws in die osteuropäischen Staaten weiterverkauft. Die Steuerdifferenz wanderte in seine eigene Tasche. Wir reden von vielen Millionen Euro! Er landete zwei Tage vor Tschernekows Tod in Palma in Begleitung seines Stellvertreters Aleksander Kirpichew, auch Kirpich oder ›Der Bandit‹ genannt. Ich habe seine Akte gelesen: Ein Dreckskerl, wie er im Buche steht, so einen müsste man eigentlich in den städtischen Hundezwinger sperren.«
Cruz zog die Augenbrauen hoch.
»Und weiter?«
»Am Tag nach Tschernekows Tod haben die beiden Palma wieder verlassen!«
»Die hatten nicht zufällig einen Granatwerfer im Handgepäck?«, fragte Cruz ironisch.
Moncada lachte.
»Nein, leider reicht unser Glück nicht so weit. Wir wissen auch nicht, was sie überhaupt auf der Insel zu suchen hatten, aber mit Sicherheit führten sie nichts Gutes im Schilde.«
»Weiß Oberst Dratschew davon?«
»Keine Ahnung. Aber jetzt, wo du’s erwähnst: Könnte sein.
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