Der Profi
osteuropäischen Mafias. So munkelt man zumindest auf der Straße. Gespannte Nerven, wo man hinhört! Madrid ist schon unter Normalbedingungen ein Schnellkochtopf, aber nach den Morden an den drei Russen kann es jeden Augenblick zur Explosion kommen. Es wird zwar wild spekuliert, aber keiner weiß was Genaueres. Gib mir ein paar Tage Zeit. Mal sehen, ob ich was rausfinde …«
Valls biss sich nachdenklich auf die Unterlippe.
»Du hast exakt vierundzwanzig Stunden Zeit. Ich hoffe, dich nicht wieder mühsam irgendwo aufspüren zu müssen, Cordobés , ansonsten kannst du deine Geschäfte an den Nagel hängen.«
El Cordobés formte mit Zeigefinger und Daumen einen Kreis, dann drückte er einen schmatzenden Kuss darauf.
»Ich schwör’s beim Allerwertesten meiner Mutter!«, sagte er. »Ist das Verhör jetzt zu Ende?«
»Noch nicht ganz«, bemerkte die junge Polizistin. »Mit wem hast du dich unterhalten, als wir kamen? Und komm mir jetzt bitte nicht wieder mit dem Ammenmärchen von deinem ›Kunden‹. Auf mich habt ihr eher wie Komplizen gewirkt …«
Ich muss zugeben, ein Großteil des Erfolgs von Juan Montoya alias El Cordobés bestand in seiner angeborenen Abneigung, für irgendjemanden Partei zu ergreifen oder sich mit wem auch immer zu verbünden. Er war wie eine katalanische Schweiz – seine Prioritäten lagen beim Geld und seiner eigenen Neutralität. Deswegen hatte er auch nicht die geringsten Skrupel, mich den Löwen zum Fraß vorzuwerfen.
»Das war Lucca, Lucca Corsini. Hat früher mal für Viktor Stonowitsch gearbeitet und mich dasselbe gefragt wie ihr. Deswegen weiß ich auch, dass die Russenmafia keinen blassen Schimmer hat, was eigentlich abläuft.«
Cruz und Valls verließen den Bahnhof Atocha ohne klare Antworten auf ihre Fragen, aber mit meinem Namen im Notizbuch. Angesichts der Tatsache, dass sie so gut wie keine schlüssigen Indizien besaßen, war es nur eine Frage der Zeit, bis sie anfangen würden, mich mit ihren unbequemen Fragen zu belästigen.
Sie gingen zu Valls’ Wagen und fädelten sich vorsichtig in den Berufsverkehr ein. Román Valls fuhr eine ziemliche Weile schweigend und in Gedanken versunken dahin.
Irgendwann fragte Cruz: »Und wie ist der Chef so drauf?«
»Hilario Jarrete …«, sagte Valls langsam und nachdenklich. Es vergingen ein paar Sekunden, bis er Cruz antwortete: »Er ist ein harter, aber gerechter Kriminaler. Wenn er Lust hat, kann er ein riesengroßes Arschloch sein, aber meistens verhält er sich korrekt.«
»Das hört sich nach schlechten Neuigkeiten an«, meinte Cruz. »Lässt er einen wenigstens in Ruhe arbeiten?«
Valls schnaubte.
»Also ich vertrete die Meinung, ein Vorgesetzter sollte verschiedene Bedingungen erfüllen …« Den Satz sagte Román Valls ganz in seiner Universitätsmanier. »Er sollte Führungstalent besitzen, sich der Verantwortung bewusst sein, die seine Führungsrolle mit sich bringt, gleichzeitig sollte er sich um sein Team kümmern und dessen Arbeit mit Intelligenz lenken. Ich glaube, Jarrete erfüllt mindestens die Hälfte dieser Anforderungen. Seine Arbeit führt zu Ergebnissen, und das ist heutzutage das Einzige, worauf es ankommt. Ich weiß, dass er mich nicht besonders schätzt, allerdings muss ich zugeben, dass dies seiner Objektivität keinen Abbruch tut.«
»Hört, hört«, murmelte Cruz. »Ich will zwar nicht als Streberin auffallen, aber ich wäre dir trotzdem für einen guten Ratschlag dankbar.«
»Jarrete kontrolliert einen zwar nicht bis ins kleinste Detail, er lässt einem vielmehr durchaus genug Freiraum, aber verdirb es dir besser nicht mit ihm! Mich hat er auf dem Kieker, und ich sag’s dir, bevor du es von anderen erfährst: Ich bin schwul.«
Cruz sah ihn aus dem Augenwinkel an. Als sie noch auf der Uni war, hatten schwule Freunde ganz offen und natürlich über ihre Homosexualität geredet. Valls’ Geständnis dagegen hörte sich irgendwie gezwungen und ziemlich unsicher an. Wahrscheinlich hatte er sich erst vor kurzem geoutet. Und seine Kollegen im Kommissariat machten es ihm bestimmt nicht leicht.
»Mir ist das egal«, erwiderte Cruz.
»Verstehe«, sagte Valls. »Aber nicht allen ist es egal. Und überhaupt, mir ist völlig schnuppe, was du denkst. Damit du’s gleich weißt: Ich brauche deine Zustimmung nicht!«
»Hey, hey, wer wird denn gleich aggressiv werden«, fuhr Cruz auf. »Ich habe nur wenige Freunde, man kann sie an den Fingern einer Hand abzählen. Zwei von ihnen sind homosexuell, ein treues
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