Der Profi
antwortete ich: »Das waren nicht meine Kameraden !«
»Eine total knifflige Angelegenheit. Keiner weiß, wer der Mörder ist. Mit Verlaub: Die vory sind im Moment nervöser als ’ne Nonne im Puff! Einer zeigt mit dem Finger auf den anderen. Der aus Palma wurde vor den Augen der Bullen in die Luft gejagt …«
El Cordobés kostete seine Worte sichtlich aus.
Ich muss zugeben, es erstaunt mich immer wieder, wie er es schafft, in kürzester Zeit so viele Informationen zusammenzutragen.
»Der aus Granada bekam ’nen Genickschuss verpasst, als es mit seiner Geliebten in ’nem schnuckligen Hotel nahe der Alhambra gerade so richtig zur Sache ging … mitten im schönsten Orgasmus, wie böse Zungen behaupten. Und der dritte wurde am Ausgang eines Fresstempels in der Madrider Sierra von Kugeln durchlöchert, du weißt schon, in dem Schuppen, der für seine Gambas so berühmt ist.«
Ich bestätigte ihm, dass ich wusste, welches Restaurant er meinte.
»Maschinenpistole! Angeblich war er danach so löchrig wie ein Schweizer Käse. Die Bullen sammeln noch immer die Patronenhülsen auf …«
»Hat irgendjemand den Killer gesehen?«
»Was das angeht: Er trug einen Motorradhelm.«
»Und sonst wurde niemand verletzt?«
El Cordobés schenkte mir ein flüchtiges Lächeln. Dann wechselte sein Zahnstocher abermals den Mundwinkel.
»Gute Frage. Der Dreckskerl hat seine gesamte Munition verballert, aber es traf nur den vor . Weder seine Gattin noch Bodyguards, Kinder oder sonst wer war davon betroffen. Dabei war es schon Nacht und stockfinster. Ein regelrechter Dämon, der Kerl!«
Das überraschte mich. Angesichts der Schussgeschwindigkeit einer Uzi oder MP 5 – eine andere Tatwaffe kam nicht in Frage – hätte es eigentlich zu Kollateralschäden kommen müssen.
»Der perfekte Psychopath!«, insistierte El Cordobés .
Zwei Sicherheitsbeamte machten in unserer Nähe Halt. Die eine, eine junge Frau, wollte gerade auf uns zugehen, entschlossen, den Gesetzesartikel über den illegalen Verkauf von Schmuggelwaren (oder zumindest das, was darüber in ihrem Lehrbuch stand) bis ins letzte Detail zur Anwendung zu bringen. Ihr älterer Kollege hielt sie diskret zurück, schüttelte den Kopf und flüsterte ihr etwas zu. Ich wette, sie war eine blutige Anfängerin. Dann führte der erfahrene Kollege sie am Ellbogen in die Rich tung anderer Opfer: Graffiti-Maler, Taschendiebe und sonstige Gesetzesbrecher, die durch den Bahnhof schwirrten, aber im Gegensatz zu El Cordobés keine monatlichen Abgaben zum Schutz der eigenen Immunität leisteten.
Ich blickte zerstreut auf die Menschen, die um uns herumliefen.
»Wer könnte einen Vorteil aus den Morden ziehen?«
El Cordobés zuckte die Achseln.
»Alle und zugleich niemand.«
Für meinen treuen Spitzel war es noch zu früh, um mehr zu wissen. Ich überdachte die Fakten nochmals. Wenn der Todesengel von einem ehrgeizigen vor geschickt worden war, hatte sich dieser extrem diskret verhalten (bei Mafiabossen eher eine Seltenheit). Das stellte einmal mehr seine Gefährlichkeit unter Beweis. Und wenn es sich um einen Alleingang handelte? (Ein Serienkiller? Der Leibwächter eines vor ? Ein Polizeibeamter?) Die Hinweise, die mir zur Verfügung standen, waren spärlich. In jedem Fall handelte es sich um schlechte Nachrichten.
»Und die andere Frage?«, bohrte El Cordobés nach.
»Was?«
»Du hast mir gesagt, du brauchst zwei Informationen. Dafür hab ich zwei Grüne von dir bekommen! Also hast du noch eine Frage frei …«
»Ach ja, richtig! Wo finde ich Inspektor Moraguer?«
Er sah mich schräg aus dem Augenwinkel an, bevor sein Blick wieder durch die Umgebung streifte.
»Auf der Pferderennbahn. Morgen finden die Rennen statt. Du wirst ihn dort dabei antreffen, wie er sein sämtliches Vermögen verspielt.«
Plötzlich zog er ein verdrießliches Gesicht.
»Du machst dich jetzt besser vom Acker, Lucca! Ich glaube, ein pedantischer Bulle zieht am Horizont auf, der mich ausquetschen möchte …«
Höchste Zeit für mich, die Fliege zu machen.
El Cordobés hatte keine andere Wahl: Er musste an Ort und Stelle verharren, bis die beiden Polizisten sich ihm genähert hatten. Sein Ruf hing zum großen Teil davon ab, wie gut er seine illegalen Geschäfte und seine Verpflichtung, die Hüter des Gesetzes auf dem Laufenden zu halten, in Einklang zu bringen verstand. Nur dann konnte er auch in Zukunft seinen Schwarzhandelsaktivitäten nachgehen. Sich mit zwei Polizisten sehen zu lassen war nicht
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