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Der Profi

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Titel: Der Profi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fernando S. Llobera
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Junge!«
    Doch im Laufe der Zeit geriet dieses Ziel, der Traum eines jeden Unternehmensberaters, immer weiter in Vergessenheit. »Die spannende Welt der Consultingfirmen«, murmelte Fuad: »Projekte zu völlig übersteigerten Preisen an andere Unternehmen verkaufen, die diese gar nicht brauchen, und das mit aberwitzigen Renditeversprechen, und dafür ohne Ende Praktikanten und junge Mitarbeiter mit Universitätsabschluss verheizen.« An dieser Stelle stimme ich völlig mit Fuad überein: Mein Respekt vor Consultingmanagern ist in etwa so groß wie gegenüber einem Agenten der CIA !
    Völlig gerädert zog Fuad die x-te Kopie der Konferenzunterlagen aus dem Fotokopierer und besah sich das dicke Papierbündel. Bei dem Kunden handelte es sich um eine große internationale Firma, die sich nur schlecht den Veränderungen des neuen Jahrtausends anzupassen vermochte. Seit knapp zwei Jahren wurde sie von der Konkurrenz praktisch an die Wand gedrückt, die erwarteten Gewinne blieben aus. Ihr Vorstandsvorsitzender hatte eine umfassende Analyse gefordert mit dem Ziel, die Situation wieder in den Griff zu bekommen. Die Unternehmensführung sollte geprüft und ein Strategieplan in Gang gesetzt werden, um das Geschäft wiederzubeleben. Zu diesem Zweck hatte man Brown & McCombie engagiert. Die Consultingfirma arbeitete ein ganzes Jahr lang intensiv an dem Projekt (und quetschte den Kunden gleichzeitig finanziell aus wie eine reife Zitrone). Zum Schluss legte Brown & McCombie den sogenannten Strategieplan für die nächsten drei Jahre vor. Und in den folgenden drei Jahren unterstützten die Unternehmensberater die Weltfirma dann auch dabei, diesen »Strategieplan« umzusetzen.
    In wenigen Stunden würden sie ihren Kunden nun erneut von der Nützlichkeit des Plans überzeugen müssen: Der Moment war gekommen zu prüfen, ob die Strategien von Brown & McCombie gefruchtet hatten, sodass ihr Kunde, diese Firma von Weltrang, inzwischen wieder die erhofften Gewinne erzielte. Neustrukturierung einzelner Abteilungen, Personalabbau, höhere Ausgaben für Marketing, Verlagerung der Produktion in Billiglohnländer, in denen Kinderarbeit an der Tagesordnung war – hatten all diese Maßnahmen, die Brown & McCombie vor sechsunddreißig Monaten vorgeschlagen hatte, gewirkt oder nicht? Erfolg oder Pleite … das war hier die Frage.
    Eins stand jedenfalls fest: Der Plan hatte die Erwartungen nicht erfüllt. Was Fuad am meisten überraschte, war die Dreistigkeit, mit der sein Unternehmen die miserablen Ergebnisse verschleierte. »Hier merze ich rasch einen Fehler aus, da lass ich einfach was weg …« Die Auswertungen der Käuferumfragen waren erstunken und erlogen, die Marktanalysen ein reines Fantasieprodukt, Negativresultate wurden im dichten Gewirr aus Blättern und Papieren umstandslos unter den Tisch gekehrt. Was Brown & McCombie zu bieten hatte, war im Grunde nichts als Schall und Rauch. Und so geht das tagaus tagein, sagte sich Fuad.
    Sein direkter Vorgesetzter, ein eitler Kerl mit Namen Alejandro de Quinto, menschlich eine Null, aber mit überdimensioniertem Ego, hatte Fuad zu dieser frühen Unzeit ins Büro bestellt, weil er das gesamte Material pünktlich auf seinem Schreibtisch haben wollte.
    Fuads Verhältnis zu Alejandro de Quinto ließ sich eigentlich nur mit einem Wort beschreiben: »Miserabel.« Die Selbstgefälligkeit seines Vorgesetzten war quälend, er strafte alle mit totaler Verachtung, die in der Hierarchie unter ihm standen. (Weshalb Marcial ihm auch den Spitznamen S eine Königliche Hoheit verliehen hatte). Schließlich stammte De Quinto aus »gutem Hause«, sein Stammbaum ging vermutlich bis zu den katholischen Königen zurück, der arme Fuad hingegen war bloß ein kleiner Araber aus der spanischen Enklave Ceuta. Als wäre das eine ansteckende Krankheit! Doch Fuad war es gleichgültig, was die Leute über seine Herkunft dachten. Er hatte sich inzwischen daran gewöhnt, dass ihn manche als Spanier zweiter Klasse betrachteten. Was Fuad nicht ertrug, war, dass andere sich mit seiner Arbeit rühmten. Und das machte Seine Königliche Hoheit ständig.
    Die zweite Etage des Gebäudes von Brown & McCombie , in der sich tagsüber die Unternehmensberater und Sekretärinnen tummelten, war ziemlich weitläufig. Zu beiden Seiten öffneten sich Büroräume mit großen Panorama fenstern, in die sich die Chefs zurückzogen, um Zeitung zu lesen. In der Mitte standen etwa fünfzig Arbeitstische, von halbhohen Trennwänden umgeben, an denen die

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