Der Profi
Deshalb war er vielleicht auch so entschlossen, auf eigene Faust Rache zu üben.«
»Vielen Dank für die Informationen«, sagte Cruz. »Ich werde sie an den leitenden Kommissar weitergeben, sobald ich ihn treffe. Ich gehe mal davon aus, dass Timo für den Fall, dass Dratschew auftaucht, einen persönlichen Leibwächter zugeteilt bekommen hat. Mit ein bisschen Glück bringen sich die beiden ja gegenseitig um.«
Moncada murrte etwas vor sich hin.
»Vorsicht, Cruz! Jede Meldung, die du an Madrid weitergibst, musst du zuerst von unserem Boss genehmigen lassen. Fühlt er sich übergangen, wird er stinksauer. Denk dran, falls du dein Leben nicht als Patrouille in der Kanalisation beenden willst. Ich misch mich da lieber nicht ein.«
Cruz seufzte, bedankte sich bei ihrem Kollegen für den Anruf und knipste ihr Handy aus.
»Gehen wir jetzt besser ins Büro!«, riet Román Valls.
Kaum hatten die beiden das Gebäude der Madrider Kriminalpolizei betreten, rief Kommissar Hilario Jarrete sie zu sich.
Die Menge an Fakten, die sich heutzutage – zu meinem Unglück und dem meiner gesamten Branche – mit Hilfe moderner Ermittlungsmethoden zu einem Verbrechen zusammentragen lässt, erstaunt mich immer wieder. Jeder, der die Grenze zur Illegalität überschreitet, sollte höchste Vorsicht walten lassen. Unser Killer dagegen hatte Riesenschwein gehabt, und als Cruz Kommissar Jarrete erklärte, dass sie an dem Ort, an dem der Granatwerfer eingesetzt worden war, keine Spuren gefunden hatten, zog dieser eine saure Miene.
»Und von den Mietwagenagenturen haben Sie auch nichts erfahren können? Was treiben Ihre Kollegen in Palma eigentlich den ganzen Tag, Navarro?«
Cruz wollte Jarrete, mit Wut im Bauch, gerade antworten, als ihr der Kommissar zuvorkam:
»Na ja, wie auch immer. Mir bereitet es vor allem Sorgen, dass dieser Timo in Palma herumspaziert ist.«
Jarrete befahl Cruz, ihm eine Kopie der Berichte ihrer Kollegen in Palma zu beschaffen und mehr über den Mann herauszufinden, der im Bahnhof Atocha mit El Cordobés gesprochen hatte (womit natürlich niemand anders als meine Wenigkeit gemeint war).
»Ergebnisse«, schnauzte der Kommissar sie an. »Navarro, ich will Ergebnisse!« Plötzlich musste Cruz an ihren Vorgesetzten auf Mallorca denken. »Ich will den kompletten Lebenslauf von diesem Kerl! Ach, und noch was: Sie erstatten direkt mir Bericht und niemandem sonst, klar?«
Er starrte sie finster an.
»Haben Sie mich verstanden, Hilfskommissarin? Sollte ich mich vom Gegenteil überzeugen, kehren Sie mit dem erstbesten Flieger nach Palma zurück!«
Nachdem Cruz Jarretes Büro verlassen hatte, stieß sie einen leisen Fluch aus, die Anweisung des Kommissars machte die Angelegenheit noch komplizierter. Sie stand zwischen zwei Divas: Ihrem Chef in Palma und diesem Hilario Jarrete.
Der Arbeitstag von Fuad Gómez begann wie der vieler ausgebeuteter Angestellter großer Consultingfirmen: einfach beschissen.
Er hatte die ganze Nacht in den Büroräumen von Brown & McCombie am Paseo de la Castellana zugebracht, um die Präsentation für eine Konferenz vorzubereiten, die um Punkt zwölf Uhr mittags stattfinden sollte. Es handelte sich um eine für das Unternehmen entscheidende Versammlung. Ein wichtiger Vertrag stand auf dem Spiel, mit dem die roten Zahlen, die die Firma in letzter Zeit schrieb, aufgebessert werden sollten.
Fuad war eigentlich jung, sympathisch und unternehmungslustig, doch an diesem Morgen fühlte er sich ziemlich niedergeschlagen und nach einer Nacht einsamen Schuftens völlig erschöpft. Niemand hatte angeboten, ihm zu helfen, am allerwenigsten seine Vorgesetzten. Sie würden am Schluss lediglich die Lorbeeren ernten!
»Betrachte es einfach als Investition in dich selbst«, hatte Marcial an seinem ersten Arbeitstag zu ihm gesagt. Marcial war der einzige Freund, den er in Madrid hatte. »Du kriegst ein lächerliches Gehalt gezahlt. Rackerst die ganze Woche über wie ein Wahnsinniger. Fällst vor Müdigkeit fast um, und am nächsten Tag beginnst du wieder von vorn. Das Entscheidende dabei ist, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren!«
»Wie meinst du das?«, hatte Fuad gefragt.
»Na ja, du verbringst ein paar Jahre hier, und anschließend bewirbst du dich um eine Führungsposition im Unternehmen eines deiner Kunden. Hier drin wird niemand auf dich zukommen, um dir eine Stelle als Seniorpartner oder Gesellschafter anzubieten, da gebe ich dir Recht. Das hier ist nun mal wie beim Militär, mein
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